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Aktuell: DigAMus-Award 2021 – digitale Angebote von Museen zwischen Natur und Kultur

Knapp zehn Tage ist es her, dass die Gewinner des diesjährigen DigAMus-Award bekannt gegeben wurden. Die zwei Jahre junge Auszeichnung ist für die digitalen Angebote von Museen im Internet wichtig und sie beherrscht mit ihrem Ablauf – Einreichung nach Kategorien, Einbeziehung des Publikums für einen gesonderten Preis, Auswahl der Short-List, Verleihung der Awards – einige Monate lang das Leben der (vorerst nur deutschsprachigen) Museen. Newsletter von Kulturagenturen, Wortmeldungen in den sozialen Medien, Blogbeiträge von Kunst- und Kulturakteuren begleiten konstant dieses Ereignis von seinen Anfängen (im Spätsommer) bis zum Höhepunkt und Ausklang (im Herbst). Das Echo des DigAMus-Award klingt auch danach nicht ab – obwohl es ein wenig abnimmt -, weil die digitalen Beiträge der Museen immer und von überall aus das ganze Jahr über auf der Seite des – im Bereich digitale Kulturvermittlung – jetzt schon rennomierten Preises einsehbar sind.

 

Der Preis wurde in fünf Kategorien – Apps & Games, Hybrides Angebot, Webseite oder Online-Ausstellung, Social-Media-Aktionen, Podcasts – verliehen, hinzu kamen noch drei Sonderpreise – Sonderpreis Kleines Budget, Sonderpreis Inklusion & Interaktion und Publikumspreis. Fast alle preisgekrönten Einreichungen thematisieren – im Gleichtakt mit der alles beherrschenden Debatte in Politik und Gesellschaft -, direkt oder indirekt Mensch und Natur in ihrer Vergänglichkeit und der damit zusammenhängenden Verwandlung. Dabei widmen sich manche Beiträge – wie die Social-Media-Aktion des Museums Burg Posterstein in Thüringen #Garteneinsichten oder die App des Neanderthal-Museums in Mettmann „Neanderthal: Memories“ – ganz dem Thema Leben in der Natur, während andere – wie das Neu-Ulmer „Edwin-Scharff-Museum“ mit der Ausstellung „Architektierisch“ und/oder das Staatliche Museum für Archäologie in Chemnitz (smac) mit dem inklusiven Angebot „Die Stadt. Zwischen Skyline und Latrine“ – das Zusammenwirken von Natur und Kultur in den Vordergrund stellen. Selbst der äthiopische Mantel, der von dem Museum Villa Freischütz in Meran in einem Podcast gewürdigt wurde, spricht durch Farbgebung und Dekor, implizit über die Natur entfernter Regionen und vergangener Zeiten. Sicher steht aber bei diesem Exponat – wie auch bei dem Beitrag des Züricher „Johann-Jacobs-Museums“, der in der Sparte Apps & Games ausgezeichnet wurde, „uiivit. Dinge von gestern. Heute verstehen.“ – das zweite aktuelle Thema der heutigen Kulturszene Europas, der Kolonialismus, im Vordergrund.

 

Wie eine Zusammenfassung dieser Mensch-Natur-Problematik wirkt bei dieser Auswahl die, in der dritten Kategorie mit Preis versehene Online-Ausstellung „Ich hasse die Natur“ der Klassik Stiftung Weimar. Als Ergänzung zu der gleichnamigen, analogen Ausstellung im Schiller-Museum gedacht, bleibt sie nun im digitalen Raum ein Echo des Jahresthemas 2021 „Neue Natur“, wobei der in Anlehnung an Thomas Bernhard entstandene Titel „‚Ich hasse die Natur!‘ Mensch – Natur – Zukunft“ die Ziele der Ausstellungsmacher*innen benennt. Keine Harmonie wird also vorgetäuscht, sondern ganz aktuell und provozierend der Tod in den Mittelpunkt gestellt. Es wird das Verhältnis zwischen Mensch und Natur als Kräftemessen in drei, mit Musik von Ekkehard Ehlers untermalten Kapiteln gezeigt.

 

Das erste Kapitel „Killing us softly (Weiterleben)“ zeigt die menschliche Vergänglichkeit anhand von Krankheit, Seuchen und Tod. Die Natur scheint mit ihrer Kraft über die Menschen zu bestimmen,  die ihr ein religös geprägtes Weltbild und den damit verbundenen Glauben von einem Leben nach dem Tod entgegenstellt. Totenmasken, realistische Krankheitsbilder und Requisiten des Alters beleben dabei visuell die schriftlichen Ausführungen. Im zweiten Kapitel „Destroy (Zerstörung)“ scheinen Natur und Kultur in einem zerstörerischen Kampf zu liegen, aus dem es kein Entkommen gibt. Bilder der Vergangenheit, aber auch Arbeiten moderner Kunst illustrieren einerseits die Zerstörung der Natur durch Menschen und, andererseits die Wiederkehr der Natur im ehemaligen, menschlichen Lebensraum. Ergreifend sind hierbei die Fotos Flo Döhmers über den Verfall und über das Vergessen von beispielsweise Prypjat (bei Tschernobyl), aber auch die Arbeit „Library“ der amerikanischen Künstlerin Lori Nix, in der Bäume und Bücher ad litteram gegenüber gestellt werden und eine nostalgische Einheit in einem vorgestellten, hybriden Raum der Zukunft bilden.

 

Im dritten Kapitel der digitalen Ausstellung „A Reflexion (Panta rhei)“ werden schließlich drei Modelle der Zukunft angerissen. Im einen Modell wird ein Fortleben des jetzigen Anthropozäns, des konfliktbeladenen Zusammenspiels von Mensch und Natur imaginiert. Ein nächstes postuliert ein Zeitalter – Dendrozän -, in dem der Mensch verschwindet und die Natur die Oberhand gewinnt. Das letzte Szenario gilt dem Novozän, in dem weder Mensch noch Natur sondern eine künstliche Intelligenz die Welt erobert und beherrscht. Besucher des virtuellen Raums können am Ende einem Podcast mit dem Titel „Back to the Future“ folgen, in dessen Verlauf zwei Medienwissenschaftler von der Universität Bonn – PD Dr. Christoph Ernst und Prof.Dr. Jens Schröter – auf einige Fragen des Publikums antworten, über die verschiedenen, hier aufgezählten Zukunftsszenarien sprechen und zu weiterführenden Diskussionen anregen.

 

 

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Ausstellungen

Interaktion als Hauptmerkmal digitaler Kunst im ZKM in Karlsruhe

„Critical Zones. Horizonte einer neuen Erdpolitik“ ist der Titel einer virtuellen Kunstausstellung des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe. Sie begleitet eine analoge Ausstellung gleichen Titels, die letzten Sommer eröffnet wurde (24. Juli 2020) und bis zum 8. August 2021 dauert. Sie beschäftigt sich mit dem kritischen Zustand der Erde und ist eine interaktive Plattform für Besucher*innen aller Alterskategorien, die Kunst zu diesem Thema erfahren und gestalten wollen.

Die in vier Sektionen gegliederte Ausstellung – Critical Zone Observatories (CZO), Ghost Acreages, We live inside Gaia und Becoming Terrestrial – kann am leichtesten über einen subjektiven Parcours besichtigt werden. Durch einfaches Scrollen begegnet man den Kunstwerken auf (oder auch außerhalb) der Plattform, die dem gewählten Zugang – Metamorphose, Symbiose, Kontamination oder anderer Weg mit Alternative Kartografie, Politik der Pflanzen und Sensoren – entsprechen. Damit hinterlässt man in der digitalen Ausstellung eine eigene Spur wie ein Palimpsest, der wieder abrufbar ist, den man weiter verändern und ergänzen kann.

Mit einer Abfolge von Zitaten – die zum Nachdenken über den Zustand der Erde einladen – und Eingangsbilder von digitaler und multimedialer Kunst kann die kritische Zone nach selbst erwählten Kriterien des jeweiligen Besucher*in betreten, erforscht und teilweise verändert werden. In einer Installation von Sarah Sze beispielsweise, „Flash Point“ (Timekeeper) von 2018, wird der/die Betrachter*in von einem Kunstwerk umgeben, wenn er sich ihm nähert. Zahlreiche Bildschirme und Kameras machen es möglich, dass der/die Besucher*in in das Kunstwerk einbezogen, teils aufgenommen und weiter projiziert wird.

Zu der Bedrohung der Korallen hat Petra Maitz eine Installation aus gestrickten und ghäckelten Formationen unter dem Titel „Lady Musgrave Reef“ von 2007 ausgestellt. Virtuell kann man diese Landschaft mittels einer Videoaufnahme folgen und die Natur in dieser Form handwerklicher Interpretation doppelt bewundern. Neben dieser traditionellen Darstellungsform gibt es aber auch digitale Formate.

Man kann zum Beispiel einen digitalen Raum betreten, durchwandern und – wenn man nicht aufpasst – mit einem saftigen Knirschen von Insekten oder anderen kleinen Lebewesen verspeist werden. „The Swamp Game“, 2020 von Nomeda & Gediminas Urbonas, mit Nikola Bojic, Kristupas Sabolius und Indre Umbrasaite (mit Climate Visions) führt in diesen Raum, der einem Moor nachempfunden wurde. Ziel ist es auch gegessen zu werden und so als Mikroorganismus in den natürlichen Kreislauf zu treten.

Eine „Glossolalia“ von Bettina Korintenberg, Rachel Libeskind, Robert Preusse und Stefanie Rau macht die Neugierigen mit den wichtigsten Termini des weit gefassten Themas vertraut. Die Abfolge von Begriffen wird als Grundlage einer neuen Sprache verstanden, die es zu erwerben gilt, um im Sinne der Erhaltung der Erde gemeinsam zu kommunizieren und zu handeln. Es erweitert das Sprachvermögen und somit auch den Horizont des/der Besucher*in über die Begriffe wie „Earthbound“, „Fragility“ oder auch „Life-form“ zu streifen.

Eines der kunsthistorisch interessantesten Kunstwerke ist vielleicht „Cloud Studies“ von Forensic Architecture, 2020. Betritt man das Kunstwerk, so sieht man Videoaufnahmen von Wolkenformationen verschiedenen Ursprungs: Zement-, Phosphor-, Glyphosat- u.a. Wolken mit sehr genauen Beschreibungen und Ton-Bild-Dokumentationen zu den aktuellen Konfliktherden auf der Erde. Unter den Wasserwolken findet man die Erklärungen über die Darstellung von Wolken von John Ruskin von 1865 „Modern Painters“ mit Abbildungen der Werke William Turners sowie Berichte über die Flüchtlingskrise der letzten Jahre im Mittelmeerraum.

Es ist möglich, die Lektüre des Buches von Ruskin mit dem zeitgenössischen Bericht zusammen zu hören und auch die Präsentation alter Bilder mit Neuaufnahmen sind in einer Art Collage präsentiert. Ein Programm über die aktuellen Ausstellungen zum Thema wird eingeblendet und eine genaue Auflistung von Ereignissen auf der Erde in Verbindung mit dem Thema zur Verfügung gestellt. Die bedrohliche Entwicklung der Erde wird anhand dieses Beispiels sehr genau deutlich.

Ähnlich wie im hier vorgstellten „Debatorial“ des Zeppelin-Museums in Friedrichshafen werden auch in der virtuellen Ausstellung des ZKM in Karlsruhe aktuelle Ereignisse aufgegriffen und verarbeitet. Die Kunst die an der Schnittstelle von politischen Medienberichten, (natur-)wissenschaftlichen Analysen, genauer Archivarbeit und Dokumentation entsteht, kennt keine Grenzen der visuellen Verarbeitung und Vermittlung von umweltrelevanten Inhalten. Es handelt sich meistens um eine Interferenz verschiedener digitaler Formate und Ausdrucksmittel, die primär auf eine Beteiligung der Besucher*innen zielen.

Hier geht es zur „Kritischen Zone“ des ZKM Karlsruhe: https://critical-zones.zkm.de/#!/

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Museen

Das debatorial ® „Beyond States. Über die Grenzen von Staatlichkeit“ des Zeppelin Museums Friedrichshafen

Letzten September startete das Zeppelin Museum Friedrichshafen mit einer digitalen Plattform unter dem Namen „Debatorial“ eine breite Diskussion zu aktuellen Themen des politischen Geschehens. „Beyond States. Über die Grenzen von Staatlichkeit“ ist in fünf Kapiteln gegliedert, die sehr weit gefasst sind, so dass sie – neben Themen der Vergangenheit – auch zeitgenössische Sujets – wie die Corona-Pandemie und die Flüchtlingskrise – einschließen.

Allen fünf Kapiteln ist die Beleuchtung des Staates unter verschiedenen Aspekten gemeinsam. „Staat und Grenzen“, „Staat und Nation“, „Staatliche Souveränität und Staatsversagen“, „Staatsgewalt und Staatssymbole“, „Staatsbürgerschaften und Staatenlosigkeit“ benennen die Bereiche, auf denen die Diskussion mit der Internetgemeinde fokussiert werden soll. Auf jeder dieser Seiten gibt es einen Einleitungstext (Intro), der auch gehört werden kann, und die Möglichkeit zu kommentieren.

Weitere Beiträge findet man unter jedem dieser Kapitel: Aufbereitung historischer Ereignisse passend zum Thema, Arbeiten von zeitgenössischen Künstlern, differenzierte Artikel zu problematischen Aspekten. Bilder und weitere, aktuelle Links zu ähnlichen Diskussionen in den Medien ergänzen das Debatorial. Weiter kann man an Umfragen zu einem Themenkomplex teilnehmen und wird über bevorstehende digitale Veranstaltungen informiert.

Bemerkenswert ist der Mut, mit dem sich das Museum und seine Mitarbeiter*innen auf dieser Plattform emotionsgeladenen Gesprächsthemen stellen wie auch das teilweise hohe Niveau der Diskussionen. Mit viel Information, Hintergrundwissen und nicht zuletzt guter Moderation gelingt es, dem Museum jene neue Bestimmung zu verleihen, von der in den sozialen Medien vielfach gesprochen wird.

Das Zeppelin Museum Friedrichshafen ist durch das Debatorial ein Ort der virtuellen Begegnung, des Austausches und des Lernens rund um ein brisantes Thema des öffentlichen Lebens. Es bietet den Rahmen für eine breite und differenzierte Debatte, die sich noch im Entstehen befindet und voraussichtlich in eine interessante Ausstellung münden wird. Jeder, der einen Internetzugang hat, kann zur Diskussion beitragen und so an einem gesellschaftlichen Wandel teilnehmen, den die digitale Welt ermöglicht.

Hier geht es zum Debatorial: https://debatorials.zeppelin-museum.de/beyondstates?lang=de