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Nicht verpassen (II.) #zukunftderkunstgeschichte

Letzten Montag begann mit rund 350 Teilnehmern online die Veranstaltungsreihe #zukunftderkunstgeschichte, des Instituts für Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, die bis zum 12. Juli 2021 jeden Montag um 19:00 Uhr stattfinden wird. Die ersten Beiträge lieferten bekannte Kunsthistoriker wie Prof. Dr. Burcu Dogramaci, Prof. Dr. Chiara Franceschini, Prof. Dr. Stephan Hoppe und Prof. Dr. Ulrich Pfisterer vom genannten Institut zum Thema „Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?“ Der erste der zwölf Abende war in Wort und Bild verhalten, was aber nicht über die Sprengkraft der geäußerten Überlegungen hinwegtäuschen konnte.

Wie so oft in der Geschichte der Kunst, vertrat jede*r der vier Wissenschaftler*innen eine eigene Position zwischen Tradition und Innovation, sprach andere potentielle Erneuerungen des Fachs an und stellte Fragen zu dem Bestand althergebrachter Methoden. Alle gingen von einem Beispiel aus der Kunstgeschichte aus und beleuchteten die neuen Aspekte in der Interpretation von Kunstwerken, ausgehend von der Öffnung zu aktuellen sozialen, politischen und kulturellen Themen. Diese Impulse, die außerhalb des Fachs angesiedelt sind, sollen in den nächsten elf Sitzungen mit Gästen von anderen Lehrinstitutionen besprochen werden, ohne daraus eine Verpflichtung zur Erneuerung der Kunstgeschichte in München abzuleiten.

Selbst ohne diesen Vorsatz wird sich aber in Zukunft die Kunstwissenschaft wohl kaum den Herausforderungen der Gegenwart entziehen können und in die eigene Materie neue Ansätze verschiedener – auch digitaler – Forschungsgegenstände aufnehmen müssen. Einer der vielleicht provokantesten Sätze des Abends kam von Prof. Pfisterer und betraf Paul Gauguins (1848-1903) Bild „Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?“ (1897-1898, Öl auf Leinwand, 139,1 × 374,6 cm, Museum of Fine Arts, Boston) nach dem auch die Sitzung vom 19. April benannt wurde. Dieses Bild kann, so Prof. Pfisterer (Min. 41:27), geradezu „als Lehrbuchbeispiel westlich kolonialer und männlich heteronormativen Phantasmen“ dienen.

Dass ich nicht die einzige Person war, die über diese Perspektive auf das Bild stolperte, zeigte auch die anschließende Diskussion, in der es unter anderem (Claudia Eugster, ab 01:00:19) auch über die Sichtweise des*r Forschers*in auf seinen/ihren Gegenstand ging. Ob historisch gebunden oder in der Gegenwart verankert, von dem Mythos eine objektive Position einnehmen zu können, müsse man sich auf jeden Fall verabschieden, fügte Prof. Pfisterer hinzu. Nichtdestotrotz stellt sich die Frage, wie man in der Kunstvermittlung bei der Beschreibung und Interpretation von Kunstwerken zukünftig – anders als formativ – vorgehen will, wenn die eigene (althergebrachte) Perspektive auf das Bild so radikal erneuert wird, dass beide Ansichten (alte und neue) fremd werden?

Die Sitzungen der Veranstaltungsreihe #zukunftderkunstgeschichte werden aufgenommen und im Anschluss auf LMUcast zur Verfügung gestellt.

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Das debatorial ® „Beyond States. Über die Grenzen von Staatlichkeit“ des Zeppelin Museums Friedrichshafen

Letzten September startete das Zeppelin Museum Friedrichshafen mit einer digitalen Plattform unter dem Namen „Debatorial“ eine breite Diskussion zu aktuellen Themen des politischen Geschehens. „Beyond States. Über die Grenzen von Staatlichkeit“ ist in fünf Kapiteln gegliedert, die sehr weit gefasst sind, so dass sie – neben Themen der Vergangenheit – auch zeitgenössische Sujets – wie die Corona-Pandemie und die Flüchtlingskrise – einschließen.

Allen fünf Kapiteln ist die Beleuchtung des Staates unter verschiedenen Aspekten gemeinsam. „Staat und Grenzen“, „Staat und Nation“, „Staatliche Souveränität und Staatsversagen“, „Staatsgewalt und Staatssymbole“, „Staatsbürgerschaften und Staatenlosigkeit“ benennen die Bereiche, auf denen die Diskussion mit der Internetgemeinde fokussiert werden soll. Auf jeder dieser Seiten gibt es einen Einleitungstext (Intro), der auch gehört werden kann, und die Möglichkeit zu kommentieren.

Weitere Beiträge findet man unter jedem dieser Kapitel: Aufbereitung historischer Ereignisse passend zum Thema, Arbeiten von zeitgenössischen Künstlern, differenzierte Artikel zu problematischen Aspekten. Bilder und weitere, aktuelle Links zu ähnlichen Diskussionen in den Medien ergänzen das Debatorial. Weiter kann man an Umfragen zu einem Themenkomplex teilnehmen und wird über bevorstehende digitale Veranstaltungen informiert.

Bemerkenswert ist der Mut, mit dem sich das Museum und seine Mitarbeiter*innen auf dieser Plattform emotionsgeladenen Gesprächsthemen stellen wie auch das teilweise hohe Niveau der Diskussionen. Mit viel Information, Hintergrundwissen und nicht zuletzt guter Moderation gelingt es, dem Museum jene neue Bestimmung zu verleihen, von der in den sozialen Medien vielfach gesprochen wird.

Das Zeppelin Museum Friedrichshafen ist durch das Debatorial ein Ort der virtuellen Begegnung, des Austausches und des Lernens rund um ein brisantes Thema des öffentlichen Lebens. Es bietet den Rahmen für eine breite und differenzierte Debatte, die sich noch im Entstehen befindet und voraussichtlich in eine interessante Ausstellung münden wird. Jeder, der einen Internetzugang hat, kann zur Diskussion beitragen und so an einem gesellschaftlichen Wandel teilnehmen, den die digitale Welt ermöglicht.

Hier geht es zum Debatorial: https://debatorials.zeppelin-museum.de/beyondstates?lang=de