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DigAMus-Award 2021: Die Podcasts (II)

Eine der inhaltlich und formal besten Podcast-Folge des diesjährigen DigAMus-Award ist zweifelsfrei jene der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, der Alten und Neuen Pinakothek in der Reihe „Think & Talk“. Sie ist auf der Seite der Pinakotheken sehr einfach über die entsprechende Zeile am linken Rand zu finden. Die Podcasts erscheinen dann sehr übersichtlich auf der gleichnamigen Seite der Reihe und sind übrigens auch auf Apple Podcast, Spotify und Deezer abrufbar. Die Episoden sind unterschiedlich lang (zwischen fünf und zehn Minuten) und widmen sich jeweils einem Kunstwerk oder einem Aspekt in wenigen Gemälden. Die technische Qualität ist ausgezeichnet, was bei den zum Preis eingereichten Beiträgen leider nicht immer der Fall ist.

 

Mit einem Videopodcast über 33 Folgen bewarb sich das Richard-Wagner-Museum in Bayreuth mit dem „Coronamuseum“, ein digitales Angebot des Hauses seit Frühjahr 2020. Darin werden ausgewählte Exponate und Räume des Museums vorgestellt. Eine weitere Folge reichte der Museumsdirektor Dr. Sven Friedrich zu der Sonderausstellung „rosalie und wagner. licht – mythos – material“ nach. Die Episoden des Videopodcasts sind fünf bis zehn Minuten lang und auf facebook eingebettet. Über die Seite, die das Museum Richard Wagner einleitet, können die Folgen abgerufen, gesehen und gehört werden.

 

Den Podcast „UNSERE MeeresWELTEN“ erstellte das Deutsche Meeresmuseum Stralsund, das über die Seite der Stiftung Deutsches Meeresmuseum erreichbar ist. Darin plaudern Luise und Ria in Episoden bis zu 10 Minuten zu verschiedenen Exponaten der Dauerausstellung an den vier Standorten des Museums: Meeresmuseum, Ozeaneum, Natureum, Nautineum. Es geht um Nachwuchs im Meer, um tierische Täuschungsmanöver, um Erfindungen und Liebschaften der Meeresbewohner. Kurze Texte und Bilder auf der Webseite leiten zu den akustischen Folgen des Podcast.

 

Das Georg Kolbe Museum in Berlin reichte eines der schönsten Podcasts unter der Titel „Die absoluten Täzerinnen“. Die Podcastfolge ist als Begleitung zur Ausstellung „Der absolute Tanz“ entstanden und hat elf Episoden für jeweils elf Tänzerinnen aus der Weimarer Republik. Das gesamte Museumsteam war Autor bei der Ausarbeitung der Folgen, die um die 15 Minuten dauern. Sicher fehlen bei diesem Podcast die Bilder fast schmerzlich, doch gibt es mit sehr guten Beschreibungen während des Ablaufs der Epidsode und mit der musikalischen Untermalung einen Ausgleich. Die Podcastfolgen kann man über die Webseite des Museums abrufen unter dem Titel der Ausstellung in der Rückschau.

 

Das Badische Landesmuseum in Karlsruhe hat an dem Award 2021 mit einem Podcast „Is ja’n Ding! Geschichten für Kinder“ teilgenommen. Er ist Teil der Reihe „KiMO – Kinder im Museum Online“ und von der Seite des Museums unter dem Menüpunkt „Museum digital“ erreichbar. Gewinnend auch für Erwachsene ist die Idee, Exponate aus dem Museum sprechen zu lassen. Manche stellen sich ausführlich vor, andere sind miteinander im Gespräch, man hat nach einer Zeit den Eindruck, dass sich in dem Museum alles bewegt, alles ein Leben hat.

 

Ein Podcast ohne Webseite ist über die Seite podigee.io unter dem Namen hoesch150 zu finden. Ein Podcast zum Jubiläum der Westfalenhütte Dortmund von den Journalisten Kay Bandermann und Till Krause entworfen worden. Es geht um das Unternehmen „Hoesch“, ein Stahlkonzern, das nicht mehr existiert, die Stadt aber sehr geprägt hat. Die Folgen sind rund eine Stunde lang, haben eine gute akustische Qualität und es gibt die Option, sie zu abonnieren und zu kommentieren, d.h. in Interaktion mit den Autoren zu treten. Die ehemaligen Arbeiter*innen kommen zu Wort und die vielseitige Geschichte des Konzerns wird scheinbar mit Leichtigkeit aufgerollt.

 

Der Gewinner des diesjährigen DigAMus-Awards war der Podcast „Der Äthiopische Mantel“ der Meraner Villa Freischütz. Er entstand als Begleitung zur gleichnamigen Ausstellung in diesem Euregio-Museumsjahr und ist über die Internetseite des Museums zu hören und zu lesen. Zu dem 35minütigen Hörspiel gibt es ein Transkript (dessen Übersetzung in mehreren Sprachen angekündigt wurde) und nicht nur der Mantel sondern auch seine koloniale Geschichte und seine Erschließung hat etwas von einer spannenden Bühnenaufführung. Es ist auch deshalb nicht verwunderlich, dass der Beitrag von der Jury des DigAMus-Awards mit einem Preis in der Kategorie „Podcast“ ausgezeichnet wurde.

 

Der letzte Beitrag auf der Liste des Awards war in diesem Jahr ein Podcast zur Stadtgeschichte Stuttgarts, der von der Webseite des Stadt Palais Stuttgart (Mediathek) erreichbar ist. Die Historiker Prof. Wolfram Pyta von der Universität Stuttgart und Dr. Torben Giese, Direktor des Stadt Palais‘ sprechen mit Gästen in rund 50minütigen Episoden über die Geschichte der Stadt von der Vor- und Frühgeschichte bis zur Gegenwart. Der Besuch der Dauerausstellung gleichen Namens im Museum ist nach diesen Hörproben fast ein Muss für jeden Besucher der Stadt.

 

Die Einreichungen beim DigAMus-Award 2021 zeigen bei weitem nicht die ganze Palette auf, der Podcasts, die Museen während der Corona-Zeit erarbeitet haben. Es gibt sicherlich noch viele interessante Beispiele in den Museen, die kandidiert, wie in jenen, die sich in diesem Jahr nicht angemeldet haben. Das schönste daran ist die Vielfalt der Formate, die auf jede Geschichte und auf jede Sammlung anders zugeschnitten sind. Das größte Problem ist, wie mir jetzt scheint, diese Angebote im Internet zu finden. Wenn man von den Kunst- und Kultur-Podcasts nicht weiß, sind sie in vielen Fällen für potentielle Nutzer leider unsichtbar.

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Allgemein Denkmäler Konferenz Kunsthistoriker*innen

refer – Eine WordPress-Applikation auch für die digitale Kunstvermittlung

Auf der Online-Konferenz des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker (VDK) „Digitale Erfahrungen und Strategien in der Kunstgeschichte“, die am 26. und 27. März 2021 (#vKH2021) stattfand, hielt Prof.Dr. Harald Sack vom FIZ Karlsruhe – Leibniz-Institut für Informationsinfrastruktur einen Vortrag über „Data – Information – Knowledge Graph“. Wie es im Untertitel des Handouts heißt, ging es bei diesem Einblick in die Welt digitaler Daten, ihrer Sammlung und ihrer Speicherung darum, zu erläutern, „warum Daten alleine nicht reichen“, oder anders gesagt: warum auch Kunsthistoriker*innen bei ihrer Schreibtätigkeit im Internet Daten verlinken sollten? Wie in der DIKW-Pyramide von Russel Lincoln Ackoff (1919-2009) aus dem Jahr 1989 beschrieb der Wissenschaftler in einzelnen Schritten den Weg – von der Aufnahme von Daten (Basis der Pyramide) über ihre Verwandlung in Informationen (zweite Ebene der Pyramide) und Verknüpfung mit Inhalten (dritte Ebene des Wissens) bis zur Spitze der Weisheit – zum Semantic Web, eines der ehrgeizigsten Ziele der Architekten des Internets.

Das Wissen, das traditionell als „Teilmenge aller wahren Meinungen“ definiert wird, muss in einer Sprache verfasst sein, die alle, einschließlich Maschinen, verstehen. Dazu bedarf es gemeinsamer Symbole und Konzepte (Syntax), der Übereinkunft über deren Bedeutung (Semantik), der Klassifikation von Konzepten (Taxonomien), den Assoziationen und Relationen zwischen Konzepten (Thesauri), schließlich der Regeln darüber, welche Relationen erlaubt sind und Sinn machen (Ontologien). Ontologien – explizite, formale Spezifikationen einer gemeinsamen Konzeptualisierung – werden je nach Charakteristika in vier Kategorien geteilt: Top Level Ontology, Domain Ontology, Application Ontology und Task Ontology.

Das digital erfasste Wissen erscheint heute bei einer beliebigen Internet-Recherche über die Google-Suchmaschine in einem sogenannten Knowledge Graph. Dieser wird aufgrund der RDF-Serialisierung von Daten, – die aus einem einfachen Satzbau von Subjekt, Prädikat und Objekt besteht -, erstellt. Die Teile der RDF-Serialisierung werden vorab als URIs (oder Literal im Fall des Objekts) eingegeben und miteinander verknüpft. Der große Vorteil des Knowledge Graph besteht darin, dass es die explorative Suche im Internet erlaubt.

Anschließend stellte der Redner das Projekt refer – Ontology and Knowledge Graph Applications kurz vor. Die WordPress kompatible Applikation kann viele Daten aus einem WP-Blog mit einer Datenbank – wie beispielsweise DBpedia – verbinden und komplexe Zusammenhänge darstellen. In der Tat lassen sich damit eine Fülle von Informationen abrufen und ist – wie hier von Interesse – im Bereich der digitalen Kunstvermittlung ein einzigartiges Instrument. Wie das funktioniert, kann am besten anhand des SciHi Blog – daily blog on science, tech & art in history getestet werden.

 

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Ausstellungen

Interaktion als Hauptmerkmal digitaler Kunst im ZKM in Karlsruhe

„Critical Zones. Horizonte einer neuen Erdpolitik“ ist der Titel einer virtuellen Kunstausstellung des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe. Sie begleitet eine analoge Ausstellung gleichen Titels, die letzten Sommer eröffnet wurde (24. Juli 2020) und bis zum 8. August 2021 dauert. Sie beschäftigt sich mit dem kritischen Zustand der Erde und ist eine interaktive Plattform für Besucher*innen aller Alterskategorien, die Kunst zu diesem Thema erfahren und gestalten wollen.

Die in vier Sektionen gegliederte Ausstellung – Critical Zone Observatories (CZO), Ghost Acreages, We live inside Gaia und Becoming Terrestrial – kann am leichtesten über einen subjektiven Parcours besichtigt werden. Durch einfaches Scrollen begegnet man den Kunstwerken auf (oder auch außerhalb) der Plattform, die dem gewählten Zugang – Metamorphose, Symbiose, Kontamination oder anderer Weg mit Alternative Kartografie, Politik der Pflanzen und Sensoren – entsprechen. Damit hinterlässt man in der digitalen Ausstellung eine eigene Spur wie ein Palimpsest, der wieder abrufbar ist, den man weiter verändern und ergänzen kann.

Mit einer Abfolge von Zitaten – die zum Nachdenken über den Zustand der Erde einladen – und Eingangsbilder von digitaler und multimedialer Kunst kann die kritische Zone nach selbst erwählten Kriterien des jeweiligen Besucher*in betreten, erforscht und teilweise verändert werden. In einer Installation von Sarah Sze beispielsweise, „Flash Point“ (Timekeeper) von 2018, wird der/die Betrachter*in von einem Kunstwerk umgeben, wenn er sich ihm nähert. Zahlreiche Bildschirme und Kameras machen es möglich, dass der/die Besucher*in in das Kunstwerk einbezogen, teils aufgenommen und weiter projiziert wird.

Zu der Bedrohung der Korallen hat Petra Maitz eine Installation aus gestrickten und ghäckelten Formationen unter dem Titel „Lady Musgrave Reef“ von 2007 ausgestellt. Virtuell kann man diese Landschaft mittels einer Videoaufnahme folgen und die Natur in dieser Form handwerklicher Interpretation doppelt bewundern. Neben dieser traditionellen Darstellungsform gibt es aber auch digitale Formate.

Man kann zum Beispiel einen digitalen Raum betreten, durchwandern und – wenn man nicht aufpasst – mit einem saftigen Knirschen von Insekten oder anderen kleinen Lebewesen verspeist werden. „The Swamp Game“, 2020 von Nomeda & Gediminas Urbonas, mit Nikola Bojic, Kristupas Sabolius und Indre Umbrasaite (mit Climate Visions) führt in diesen Raum, der einem Moor nachempfunden wurde. Ziel ist es auch gegessen zu werden und so als Mikroorganismus in den natürlichen Kreislauf zu treten.

Eine „Glossolalia“ von Bettina Korintenberg, Rachel Libeskind, Robert Preusse und Stefanie Rau macht die Neugierigen mit den wichtigsten Termini des weit gefassten Themas vertraut. Die Abfolge von Begriffen wird als Grundlage einer neuen Sprache verstanden, die es zu erwerben gilt, um im Sinne der Erhaltung der Erde gemeinsam zu kommunizieren und zu handeln. Es erweitert das Sprachvermögen und somit auch den Horizont des/der Besucher*in über die Begriffe wie „Earthbound“, „Fragility“ oder auch „Life-form“ zu streifen.

Eines der kunsthistorisch interessantesten Kunstwerke ist vielleicht „Cloud Studies“ von Forensic Architecture, 2020. Betritt man das Kunstwerk, so sieht man Videoaufnahmen von Wolkenformationen verschiedenen Ursprungs: Zement-, Phosphor-, Glyphosat- u.a. Wolken mit sehr genauen Beschreibungen und Ton-Bild-Dokumentationen zu den aktuellen Konfliktherden auf der Erde. Unter den Wasserwolken findet man die Erklärungen über die Darstellung von Wolken von John Ruskin von 1865 „Modern Painters“ mit Abbildungen der Werke William Turners sowie Berichte über die Flüchtlingskrise der letzten Jahre im Mittelmeerraum.

Es ist möglich, die Lektüre des Buches von Ruskin mit dem zeitgenössischen Bericht zusammen zu hören und auch die Präsentation alter Bilder mit Neuaufnahmen sind in einer Art Collage präsentiert. Ein Programm über die aktuellen Ausstellungen zum Thema wird eingeblendet und eine genaue Auflistung von Ereignissen auf der Erde in Verbindung mit dem Thema zur Verfügung gestellt. Die bedrohliche Entwicklung der Erde wird anhand dieses Beispiels sehr genau deutlich.

Ähnlich wie im hier vorgstellten „Debatorial“ des Zeppelin-Museums in Friedrichshafen werden auch in der virtuellen Ausstellung des ZKM in Karlsruhe aktuelle Ereignisse aufgegriffen und verarbeitet. Die Kunst die an der Schnittstelle von politischen Medienberichten, (natur-)wissenschaftlichen Analysen, genauer Archivarbeit und Dokumentation entsteht, kennt keine Grenzen der visuellen Verarbeitung und Vermittlung von umweltrelevanten Inhalten. Es handelt sich meistens um eine Interferenz verschiedener digitaler Formate und Ausdrucksmittel, die primär auf eine Beteiligung der Besucher*innen zielen.

Hier geht es zur „Kritischen Zone“ des ZKM Karlsruhe: https://critical-zones.zkm.de/#!/