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Interaktion als Hauptmerkmal digitaler Kunst im ZKM in Karlsruhe

„Critical Zones. Horizonte einer neuen Erdpolitik“ ist der Titel einer virtuellen Kunstausstellung des Zentrums für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe. Sie begleitet eine analoge Ausstellung gleichen Titels, die letzten Sommer eröffnet wurde (24. Juli 2020) und bis zum 8. August 2021 dauert. Sie beschäftigt sich mit dem kritischen Zustand der Erde und ist eine interaktive Plattform für Besucher*innen aller Alterskategorien, die Kunst zu diesem Thema erfahren und gestalten wollen.

Die in vier Sektionen gegliederte Ausstellung – Critical Zone Observatories (CZO), Ghost Acreages, We live inside Gaia und Becoming Terrestrial – kann am leichtesten über einen subjektiven Parcours besichtigt werden. Durch einfaches Scrollen begegnet man den Kunstwerken auf (oder auch außerhalb) der Plattform, die dem gewählten Zugang – Metamorphose, Symbiose, Kontamination oder anderer Weg mit Alternative Kartografie, Politik der Pflanzen und Sensoren – entsprechen. Damit hinterlässt man in der digitalen Ausstellung eine eigene Spur wie ein Palimpsest, der wieder abrufbar ist, den man weiter verändern und ergänzen kann.

Mit einer Abfolge von Zitaten – die zum Nachdenken über den Zustand der Erde einladen – und Eingangsbilder von digitaler und multimedialer Kunst kann die kritische Zone nach selbst erwählten Kriterien des jeweiligen Besucher*in betreten, erforscht und teilweise verändert werden. In einer Installation von Sarah Sze beispielsweise, „Flash Point“ (Timekeeper) von 2018, wird der/die Betrachter*in von einem Kunstwerk umgeben, wenn er sich ihm nähert. Zahlreiche Bildschirme und Kameras machen es möglich, dass der/die Besucher*in in das Kunstwerk einbezogen, teils aufgenommen und weiter projiziert wird.

Zu der Bedrohung der Korallen hat Petra Maitz eine Installation aus gestrickten und ghäckelten Formationen unter dem Titel „Lady Musgrave Reef“ von 2007 ausgestellt. Virtuell kann man diese Landschaft mittels einer Videoaufnahme folgen und die Natur in dieser Form handwerklicher Interpretation doppelt bewundern. Neben dieser traditionellen Darstellungsform gibt es aber auch digitale Formate.

Man kann zum Beispiel einen digitalen Raum betreten, durchwandern und – wenn man nicht aufpasst – mit einem saftigen Knirschen von Insekten oder anderen kleinen Lebewesen verspeist werden. „The Swamp Game“, 2020 von Nomeda & Gediminas Urbonas, mit Nikola Bojic, Kristupas Sabolius und Indre Umbrasaite (mit Climate Visions) führt in diesen Raum, der einem Moor nachempfunden wurde. Ziel ist es auch gegessen zu werden und so als Mikroorganismus in den natürlichen Kreislauf zu treten.

Eine „Glossolalia“ von Bettina Korintenberg, Rachel Libeskind, Robert Preusse und Stefanie Rau macht die Neugierigen mit den wichtigsten Termini des weit gefassten Themas vertraut. Die Abfolge von Begriffen wird als Grundlage einer neuen Sprache verstanden, die es zu erwerben gilt, um im Sinne der Erhaltung der Erde gemeinsam zu kommunizieren und zu handeln. Es erweitert das Sprachvermögen und somit auch den Horizont des/der Besucher*in über die Begriffe wie „Earthbound“, „Fragility“ oder auch „Life-form“ zu streifen.

Eines der kunsthistorisch interessantesten Kunstwerke ist vielleicht „Cloud Studies“ von Forensic Architecture, 2020. Betritt man das Kunstwerk, so sieht man Videoaufnahmen von Wolkenformationen verschiedenen Ursprungs: Zement-, Phosphor-, Glyphosat- u.a. Wolken mit sehr genauen Beschreibungen und Ton-Bild-Dokumentationen zu den aktuellen Konfliktherden auf der Erde. Unter den Wasserwolken findet man die Erklärungen über die Darstellung von Wolken von John Ruskin von 1865 „Modern Painters“ mit Abbildungen der Werke William Turners sowie Berichte über die Flüchtlingskrise der letzten Jahre im Mittelmeerraum.

Es ist möglich, die Lektüre des Buches von Ruskin mit dem zeitgenössischen Bericht zusammen zu hören und auch die Präsentation alter Bilder mit Neuaufnahmen sind in einer Art Collage präsentiert. Ein Programm über die aktuellen Ausstellungen zum Thema wird eingeblendet und eine genaue Auflistung von Ereignissen auf der Erde in Verbindung mit dem Thema zur Verfügung gestellt. Die bedrohliche Entwicklung der Erde wird anhand dieses Beispiels sehr genau deutlich.

Ähnlich wie im hier vorgstellten „Debatorial“ des Zeppelin-Museums in Friedrichshafen werden auch in der virtuellen Ausstellung des ZKM in Karlsruhe aktuelle Ereignisse aufgegriffen und verarbeitet. Die Kunst die an der Schnittstelle von politischen Medienberichten, (natur-)wissenschaftlichen Analysen, genauer Archivarbeit und Dokumentation entsteht, kennt keine Grenzen der visuellen Verarbeitung und Vermittlung von umweltrelevanten Inhalten. Es handelt sich meistens um eine Interferenz verschiedener digitaler Formate und Ausdrucksmittel, die primär auf eine Beteiligung der Besucher*innen zielen.

Hier geht es zur „Kritischen Zone“ des ZKM Karlsruhe: https://critical-zones.zkm.de/#!/