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Digital Culture Summit 2023 in Köln, nicht verpassen (IV.)

Am 25. und 26. September 2023 findet in Köln im KOMED, Zentrum für Veranstaltungen im MediaPark Köln, anlässlich des 10jährigen Jubiläums der Pausanio Akademie, ein erstes Digital Culture Summit statt. Eine Teilnahme vor Ort wie auch eine digitale Teilnahme sind noch gegen die Entrichtung einer Gebühr, die auf finanzschwache Teilnehmer*innen Rücksicht nimmt (199,- €/159,- € bzw. 149,- €/119,- €), möglich. Ein Blick auf das Programm der Tagung verspricht interessante Impulse für all jene Akteur*innen, die im digitalen Zeitalter in der Kultur tätig sind oder es sein wollen.

Nach Grußwörtern (Ina Brandes, Andree Haack und Prof.Dr. Holger Simon) und Einführung in das Thema (Dr. Felicia Sternfeld und Dr. Annette Doms) werden am ersten Tag der Stellenwert der digitalen Kompetenz in Kultur (Dr. Christian Gries und Dirk von Gehlen), die neuen, durch digitale Transformation generierten Arbeitsweisen (Paul Spies, Miriam Mayer-Ebert und Beate Lex) sowie das Verhältnis von Mensch und Maschine (Reinhard Karger, Dr. Tabea Golgath und Prof.Dr. York Sure-Vetter) umrissen werden. Der zweite Tag ist dann dem Publikum im digitalen Zeitalter (Prof.Dr. Patricia Rahemipour, Marcus Lobbes, Melanie Lauer und Constantin Pelka), der zu verändernden Kulturinstitutionen (Dr. Doreen Mölders, Dennis Wittrock und Michael Wuerges) und den neuen Leitprinzipien in kulturellen Organisationen (Diandra Donecker und Julia Becker) gewidmet. Parallel zum Bühnenprogramm gibt es Masterclasses zur neuen, Inter-Pares-Zusammenarbeit in Institutionen als eine Arbeit auf Augenhöhe (Dennis Wittrock), zum Einsatz von künstlicher Intelligenz im Kulturmarketing (Holger Kurtz), zum Fundraising in der Kultur (Sophia Athié) und zu dem aktuellen Urheberrecht (Prof.Dr.Dr. Grischka Petri).

Ziel der Veranstaltung ist es jene Kräfte in Kultur zu bündeln, die eine digitale Offensive für notwendig halten, die ausstehenden Erneuerungen anzustoßen und die Digitalität im Zentrum kulturellen Lebens zu stellen. Eine Teilnahme vor Ort ist nicht notwendig, aber empfehlenswert, um das Netzwerk zu stärken und nicht zuletzt, um am 25.09. nach 18:00 Uhr an der Party mit kölschem Büffet teilzunehmen. Wenn für Kulturakteur*innen Köln zu weit liegt, ist wenigstens eine digitale Teilnahme wichtig, um sich mit den aktuellen Fragen der Branche vertraut zu machen und auf das Material der Tagung wann immer zurückgreifen zu können.

Eine visuelle Überraschung auf der Tagung wird das Projekt der Künstlerin Meral Alma sein, das später für einen guten Zweck im Bereich der digitalen Bildung gespendet wird.

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… zurück zu Byzanz / unterwegs (Serie)

In den 1990er Jahren kehrte ich noch einmal thematisch zu Byzanz zurück, aber – aus heutiger Sicht betrachtet – nur um gründlicher Abschied zu nehmen. Die Abteilung Byzantinistik des Instituts für Altertumskunde der Universität zu Köln organisierte unter der Leitung von Professor Dr.Dr. h.c. Peter Schreiner (* 1940) im Frühsommer 1998 eine Reise nach Istabul, um einige der byzantinischen Denkmale zu besichtigen. Es gab Referate zu den Sehenswürdigkeiten und wir konnten viele Kenntnisse der Geschichte vor Ort besprechen.

Im Freundeskreis teilte ich mit, ich würde nach Konstantinopel fahren und war so aufgeregt, wie selten bei einer Reise in Ländern Europas. Die Erinnerungen sind sehr verblasst, aber einiges – wie die Bosphorus-Fahrt – ist so lebendig geblieben, als hätte die Exkursion gestern stattgefunden. Wir sahen und lernten viel über die Hagia Sophia, Hagia Eirene, über die Fussbodenmosaiken des alten Palastes, über den Hippodrom, über die Lateinerquartiere und Galata. Kalenderhane Camii, Süleyman Camii, Koca Mustafa Pasa Camii, Chora-Kirche, Pammakaristos, Polyeuktos, Lips-Kloster bekamen mit jedem neuen Tag mehr Substanz und wir freuten uns, über erhaltene und nicht mehr erhaltene Reste Neues zu erfahren.

Unter anderem wählte ich über die Kariye Camii (ehem. Chora-Kloster) zu referieren und blieb lange Zeit in Gedanken an dem teilweise erhaltenen, ikonographischen Programm. Interessant war nicht nur die Tatsache, dass es sich hierbei um das ausgedehnteste, in den ehemaligen Grenzen des byzantinischen Reichs erhalten Bilderzyklus handelt (übertroffen nur noch von San Marco in Venedig und Monreale auf Sizilien), sondern, dass es – als Grablege eines byzantinischen Gelehrten, Theodoros Metochites (cca. 1260-1332) – eine Komplexität der Themen aufweist, wobei der theologische Gehalt bislang unvollständig erschlossen bleibt. Die literarischen Quellen, aus denen die Bilder komponiert wurden, waren Szenen aus dem Alten Testament (mit Bezug auf Tod, Auferstehung und Leben nach dem Tod), aus dem Neuen Thestament (insbesondere Lukas-Evangelium) und Apokryphen – das sogenannte Protoevangelium des Jakobus, Evangelium des Pseudo-Matthäus und Marienevangelien.

Theodoros Metochites war Politiker und Regierungschef unter Andronikos II. Palaiologos (1282-1328), er veranlasste einen Neubau der Kirche und die Ausstattung mit Mosaiken und Wandmalereien sowie den Ausbau des Klosters und der Bibliothek. Nach seiner Verbannung nahm Metochites den Namen Theoleptos an, zog sich 1330 hier zurück und wurde zwei Jahre später hier bestattet. Das Bildprogramm könnte von ihm oder auch von Nikephoros Gregoras (1295-1359/61) entworfen worden sein. Die Themen waren das Leben Mariens, die Kindheit Christi, das Leben und Wirken Christi, Repräsentationsdarstellungen (wie der Pantokrator, das Stifterbild, Deesis und Heilige) und ein Festbildzyklus (im Naos nur noch die Koimesis erhalten). Ich erinnere mich, dass es sehr viel Spaß bereitete, die Szenen aus der Kindheit und der Jugend Mariens mit den apokryphen Texten zu vergleichen und ikonographische Verwandtheiten zu entdecken. Sicher müsste einer umfassenden Interpretation mehr als nur ein oberflächliches Referat zugrunde liegen, aber die Möglichkeit, den Gedanken des Stifters anhand der Mosaiken zu folgen, bewegte mich dazu, die Texte vor Ort zu lesen und auf die Details der Darstellungen aufmerksam zu machen.

Anfang Juni 1998 endete die erfolgreiche Exkursion. Zwei Jahre später verließ ich Köln und auch die Byzantinische Abteilung der Universität auf der Suche nach neuen Themen in der Geschichte der Kunst. Ohne Kenntnisse der griechischen Sprache konnte ich den ganzen Umfang von Byzanz nur erahnen, aber nie richtig verstehen. Ich sah mich damals nicht in der Lage, mir die Sprache zufriedenstellend anzueignen, so dass ich verschiedene Schriften im Original hätte lesen können. Außerdem wusste ich, dass die Kunst des Byzanz ein Fach der Lücken ist. Sicher arbeitet man in den historischen Wissenschaften immer mit Lücken, aber in Byzantinistik ist das nochmal schlimmer. Kaum etwas ist erhalten, vieles wurde zerstört, Spuren reichen meist nicht aus, um zusammenhängende Bilder zu ergeben. Vielleicht habe ich etwas versäumt, aber im Westen auch viel Neues erfahren.

Bilderquelle: Wikipedia, Chora-Kirche, 2023.

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Arbeitsweg in Augsburg / unterwegs (Serie)

Jeden Morgen fahre ich mit der Straßenbahn Nr. 4 in die Arbeit. Ich wohne in Augsburg Oberhausen Nord und während der Fahrt vom Eschenhof zu der Wertachbrücke begleiten mich Gedanken zur Stadtgeschichte. Ich wähle mir mit dem Blick durch die breiten Fenster wechselnde Orte und Gebäude, die auf dem Weg liegen, und lasse Bruchstücke Augsburger (deutscher, bayerischer und europäischer) Geschichte vor dem inneren Auge passieren. Jedes Mal weckt das mein Bewusstsein in Europa zu leben und jeder Schritt auf dem Asphalt bestätigt mein Dasein.

Ich steige an einer Straßenbahnstation ein vor dem Eschenhof, eine 1928 vom Stadtbauamt (Architekt Otto Holzer) errichtete viergeschossige quadratische Wohnanlage. Gerade habe ich die Siedlung an der Schönbachstraße verlassen, deren süd-westlichen Wohneinheiten durch Torbögen miteinander verbunden sind. Zwei Rundplastiken stellen gegenüberstehende Löwen dar, die zwischen ihnen ein Schlild mit den Jahreszahlen 1929 und 1930 halten. Die Anlage hat ihre ursprüngliche Sachlichkeit erhalten, auch wenn in den 2000er Jahren Modernisierungen vorgenommen worden sind. Die Wohnblocks sind jetzt in Pastelltönen gefärbt, leichte Balkone sind den Seiten vorgelagert.

Anfang der 1930er Jahre wird der Eindruck viel strenger gewesen sein, ältere schwarzweiß Aufnahmen belegen die triste Umgebung. Die Wohnungsnot der damaligen Zeit war Ausgangspunkt der Baumaßnahmen und sicher war die streng geometrische Anlage der Augsburger Fuggerei – die Vorfahrin aller Sozialsiedlungen (zwischen 1516 und 1523 von Baumeister Thomas Krebs) –  Vorbild und Maßstab der späteren Ausführung am Eschenhof. Die benachbarte Schönbachsiedlung ist 1946 als Notsiedlung entstanden und war in ihrer Gestaltung bis ins Detail von den Amerikanern geregelt. „Die wenigsten wissen allerdings“, schreibt Chr.R. Kreikle in dem Band „Augsburg zu Fuß“ von 1993 (Hrsg.: W. Kucera und R. Forster), „dass sich auf einem großen Teil der heutigen Schönbachsiedlung in der Nazizeit ein Zwangsarbeiterlager befand.“ (S. 215). Hinter den Bögen von 1929/30 standen also einst Wohnbauten, denen 1942 ein Lager folgte, das 1946 erneut von Wohnungen abgelöst wurde, die in den 2000er Jahren modernisiert wurden. Hier zog ich 2007 ein, als mich ein Arbeitsauftrag und finanzielle Not von München nach Augsburg brachten.

 

 

An München denke ich am Morgen oft auch. Wenige Kilometer weiter nördlich von meinem jetzigen Wohnort liegt das Autobahnkreuz Augsburg West die schnellste Verbindung zur A 8 Richtung München. Jeden Tag ziehen Pendlerautos auf der Donauwörtherstraße an meiner Bahnhaltestelle vorbei, andere Reisende steigen mit mir in die 4er Straßenbahn ein und fahren bis zur Endstation Hauptbahnhof. Für manche geht es dann weiter mit der Regionalbahn nach München, den Weg legte ich kurz nach meinem Umzug auch für ein paar Jahre zurück. „Das beste an Augsburg ist der Zug nach München.“ Der Satz, der Bertold Brecht (1898-1956) zugeschrieben wird, ging mir damals durch den Kopf, als ich Land und Leute wenig kannte und es an Augsburg noch einiges zu entdecken gab.

Zwei Haltestellen weiter bin ich an der Station Bärenwirt, die an dem Stadtteil Bärenkeller grenzt. Hier denke ich oft an dichte Wälder voller Wildtieren, römischer Soldaten, germanischer Stämme und an ein Gasthaus „Zum Bären“, das vielleicht hier einmal stand, ein Stück weit vom Eingang in die Stadt an der Wertach. Aber nein, so war es nicht! Selbst wenn nicht weit entfernt von meinen Phantasien, so sprechen Lexika und Bücher zur Stadt Augsburg von einer anderen Realität. Eine Brauerei „Zum Goldenen Bären“ soll hier vor mehr als 600 Jahren von Mönchen betrieben worden sein. Das Stadtteil selber ist erst 1932 entstanden und nach 1933 planmässig und ideologisch geprägt bebaut worden. Ein Stück Geschichte des NS-Regimes also und dessen Siedlungspolitik, wie des öfteren in den Städten des Landes.

Doch wie nicht anders bei Augsburg, einer Gründung des Jahres 15 v.Chr. aus der Zeit des römischen Kaisers Augustus zu erwarten ist, waren die Römer doch hier, im südlichen Oberhausen. Der Fund eines Grabsteins unweit der Straßenbahnhaltestelle Bärenwirt belegt das. „Das römische Grabmal zählt zu den bedeutendsten Funden der Antike, die man in der Augsburger Gegend gemacht hat; es soll das schönste römische Grabmal nördlich der Alpen sein. Das Monument wurde 1709 in drei Metern Tiefe (…) gefunden; über 100 Jahre überließ man es an der Hauptstraße den Witterungseinflüssen, bis es – auf einigen Umwegen – (…) seinen jetzigen Standort im Römischen Museum fand (…).“ (Kreikle, Wo es zum Himmel stinkt. In: Kucera/Forster, Augsburg zu Fuß, 1993, S. 209)

Auf der anderen Seite der Verkehrsknotenpunktes und der Wertach erstrecken sich die M.A.N.-Werke mit ihrer langen wechselhaften Geschichte. Ich denke hier manchmal bei meiner täglichen Fahrt in die Arbeit an die Biographie über Rudolf Diesel (1858-1913), geschrieben 1937 und neu aufgelegt 1983 von seinem Sohn Eugen Diesel (1889-1970): „Diesel. Der Mensch, das Werk, das Schicksal“, die ich als erstes las, als ich nach Augsburg umzog. Ich war damals ergriffen von dem aufregenden Leben des Erfinders, von seiner Zusammenarbeit mit Heinrich von Buz (1833-1918), dem Direktor der Maschinenfabrik Augsburg, von seinem rätselhaften Tod 1913 am Ärmelkanal. Später besuchte ich das kleine M.A.N.-Museum unweit vom heutigen Gelände der Werke und blieb beeindruckt von den dort ausgestellten schönen alten Druckmaschinen und den ersten Diesel-Fahrzeugen. 

Meine Straßenbahn verlässt am Morgen recht schnell diese Orte und bringt mich zurück in die Gegenwart an die Wertachbrücke, wo ich umsteigen muss. Mein Blick bleibt kurz an der wehrhaften Mauer der evangelischen Kirche St. Johannes (errichtet 1930) haften, die nah an der Kreuzung liegt und ein architektonisches Ensemble mit der katholischen Kirche St. Josef (erbaut 1876-78) bildet. Es ist einer jener baulichen Zusammenschlüsse von evangelischen und katholischen Kirchen, die man in Augsburg, der Stadt des Religionsfriedens von 1555, auf Streifzügen mehrmals begegnet. Der Frieden des 16. Jahrhunderts zwischen Protestanten und Katholiken wird somit den Passanten wie in keiner anderen Stadt der Welt buchstäblich bei Schritt und Tritt in Erinnerinerung gebracht.

Ich bremse hier meine Gedanken, die mich über Kaiser Karl V. (1500-1558) an die Bildnisse seines Hofmalers Tizian (gest. 1576) in der Münchner Alten Pinakothek und im Museo del Prado in Madrid führen würden. Zu viele Bilder der großen europäischen Sammlungen, die im Gedächtnis nur auf einen Augenblick mangelnder Konzentration und darauf warten, meine Aufmerksamkeit zu erstürmen. Ich mache einen gedanklichen Rückzieher blende schnell Gent in Belgien, den Geburtsort des Kaisers, ein. Dort kann ich gedanklich lange in der Kathedrale St. Bavo (942 eingeweiht) vor dem Altar der Brüder Hubert (1370-1426) und Jan van Eyck (um 1390-1441) stehen bleiben und die Bilder, die ich ohne weiter zu denken nur bewundere, betrachten.

 

 

Inzwischen fährt mich eine Straßenbahn Nr. 2 über den Oberhauser Bahnhof mit seiner schlichten Architektur vom Beginn der 1930er Jahre, vorbei an das neu bebaute Areal der ehemaligen Reese-Kaserne, in der US-amerikanische Truppen in den Nachkriegsjahren bis 1993/94 stationiert wurden. Ein Stück deutsch-deutscher Geschichte, die hier geschrieben wurde, als im Zuge der Einheit die Alliierten das Land verließen und weite Teile der lokalen Wirtschaft dahinfegten. Ich fahre durch Kriegshaber, ein Stadtteil Augsburgs über dessen Bezeichnung die Fachleute streiten. Eine Theorie besagt, dass in der Römerzeit ein griechischer Söldner namens Avar („Krieche Avar“) hier in einer Schlacht gegen Kelten den Tod fand. Sprachwissenschaftler glauben, dass ein aus Rheinfranken eingewanderter Bauer namens „Chriech“ den Namen des Stadtteils gab. Schließlich besagt eine dritte Theorie, dass „Grieshaber“ den Boden hier bezeichnete (Sandboden, „Griesle“), auf dem nur Hafer (= haber) wuchs. (Vgl.: Kreikle, Stadtteil am Rand. In: Kucera/Forster, Augsburg zu Fuß, 1993, S. 200.)

Zwei Stationen bevor ich morgens am Universitätsklinikum / Bezirkskrankenhaus aussteige, passiert mein Weg eine alte Synagoge, die eng an der Straße gebaut wurde, nach 1945 in Vergessenheit geriet und 1985 „wiederentdeckt“ wurde. Sie blieb von den Zerstörungen der Nazis weitgehend verschont, hier gingen jüdische Gläubige zum Gebet nach der Zerstörung der Augsburger Synagoge 1938. Ich denke kurz an die schöne „byzantinische“ Kuppel der großen Synagoge in der Halderstraße in der Nähe des Augsburger Hauptbahnhofs, die heute auch ein Museum beherbergt. 1917 wurde sie im Jugendstil erbaut und „galt damals wie heute in Deutschland als einzigartig“. (Fischer R. unter Mitarbeit von Kaus K., Streifzug durch die Gründerzeit. In: Kucera/Forster, Augsburg zu Fuß, 1993, S. 90.)

Ich bin keine zwanzig Minuten eigentlich außerhalb der historischen Stadtmauern von Augsburg gefahren und habe an die Antike, die Nazi-Zeit, die Habsburger Monarchie, Amerika, Byzanz und vieles andere mehr denken müssen. Vieles verbindet sich mit der eigenen Biographie, manches bleibt immer noch verborgen. Jeder Weg durch den Alltag ist ein Weg durch Europa in seiner Geographie, Geschichte, Kunst, Kultur und Natur. Die letzten zehn Minuten zur Arbeitsstelle gehe ich zu Fuß durch eine künstlich angelegte Parkanlage auf der Rückseite des klobigen Gebäudes des Klinikums aus den 1970er Jahren. Nein, nein! Jetzt denke ich nicht an die historische Gartenarchitektur Englands und als Gegenpol an jene Frankreichs sondern gehe arbeiten! Nein! Jetzt bloß kein Versailles, kein Englischer Garten in München, kein Schleißheim, kein Nymphenburg….

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In Erwartung wichtiger Treffen im digitalen Raum, nicht verpassen (III.)

Nachdem die internationale Online-Konferenz des Wiener Belvederemuseums „Das Kunstmuseum im digitalen Zeitalter“ (vom 17. zum 21. Januar 2022) erfolgreich – siehe #belvederemuseum und #digitalmuseum – zu Ende gegangen ist, fiebert die Community der Kunsthistoriker*innen den nächsten virtuellen Ereignissen entgegen.  In Erwartung der angekündigten Keynotes auf der Internetseite des Museums für all jene, die das Treffen verpasst haben oder nachhören wollen, bereitet man sich auf Twitter schon auf die nächsten Hashtags – wie #AgileKultur,  #neueRelevanz, #museenderzukunft und #kupoge2022, außerdem auf die Veranstaltungen #dhd2022 und #arthistoCamp beziehungsweise #kht2022 im März 2022 vor.

 

Am Donnerstag, den 10. Februar 2022 von 16:00 h bis 18:00 h findet die digitale Release-Veranstaltung zum jüngst erschienen Sammelband „Die Museen der Zukunft. Trends und Herausforderungen eines innovationsorientierten Kulturmanagements“ statt. Zur Veranstaltung laden die Organisatoren – der Landesverband der Museen zu Berlin (@lmb_berlin), die Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. (@kupoge) und das Netzwerk „Agile Kultur“(@agilekultur) unter diesem Link ein, eine erste Rezension schrieb bereits am 5. Januar @kulturtussi in dem bekannten Blog ankevonheyl.de unter der Kategorie „Digitalisierung“. Ende Januar 2022 waren – wie hier von @Zukunftsmelder berichtet – bereits 400 Teilnehmer angemeldet, die das Treffen mit dem Herausgeber, Henning Mohr, den Autor*innen (darunter Patrick S. Föhl, Anna Greve, Daniel Neugebauer und Ivana Scharf) und dem Moderator @MZierold erwarten.

 

Keine fünf Tage später, am Valentinstag, Montag, den 14. Februar 2022, von 18:30 h bis 20:00 h, treffen die Autor*innen und Herausgeber*innen des ersten Bandes – „Agilität in der Kultur“ – der dreiteiligen Publikationsreihe – „Kultur in Bewegung. Agilität – Digitalität – Diversität“ – zu einer Diskussionsveranstaltung im Internet zusammen. Die Neuerscheinung der LWL-Kultur (Kulturnetz des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe) wurde zusammen mit der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. und dem Netzwerk Agile Kultur veröffentlicht, von der LWL-Kulturstiftung gefördert und kann kostenlos als PDF heruntergeladen werden. Neben dem Programm der relativ kurzen Release-Veranstaltung „Agile Kultur“ gibt es auch den Button zur Anmeldung hier.

 

Vom 7. zum 11. März 2022 findet unter der Überschrift „Kulturen des digitalen Gedächtnisses“ online die 8. Jahrestagung des Verbands „Digital Humanities im deutschsprachigen Raum“ statt, ausgerichtet von @unipotsdam und @fhpotsdam mit @dh_potsdam. Vor einem Jahr als Präsenzveranstaltung angekündigt, findet das Treffen pademiebedingt doch ausschließlich virtuell statt. Die Anmeldung zur @Dhd2022 kann hier vorgenommen werden, das Programm mit allen Workshops, Vorträgen, Panels und Posters befindet sich hier. Neben vielen Sitzungen zu digitalen Archiv- und Kunstsammlungen weise ich auf den Donnerstag, den 10. März, hin,  wenn der Vormittag unter anderem der digitalen Kunstgeschichte, speziell für die Vorstellung der und Diskussion zur Suchmaschine iART reserviert ist.

 

Der XXXVI. Kunsthistorikertag wurde auf Twitter von @wpippich recht verhalten angekündigt, doch darf der Sachverhalt nicht über die Reichweite der Veranstaltung hinwegtäuschen. Unter dem Titel „Form Fragen“ wird er zwischen dem 23. und dem 27. März mit wie üblich reichem Angebot analog in Stuttgart stattfinden. Der Arbeitskreis Digitale Kunstgeschichte (#DigitaleKunstgeschichte), der am 2. Februar 2022 sein 10jähriges Jubiläum feierte, organisiert am Dienstag, den 22. März 2022 von 10:00 h bis 16:00 h einen #arthistoCamp als virtuelle Vorkonferenz zur Tagung. Über den Ticketshop des #kht2022 kann man sich in Kürze dafür kostenlos anmelden. Das Treffen mit dem dazugehörigem Hashtag wurde Anfang Februar bei Twitter von Harald Klinke signalisiert.

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DigAMus-Award 2021: Die Podcasts (I)

Eines der digitalen Formate, das während der Corona-Zeit im Museumsbereich Kunstvermittlung eindeutig gewonnen haben, ist der Podcast. Angefangen hat er als geeignetes Mittel zur Verbreitung von Musik in sozialen Medien und hat sich danach in allen Bereichen von Bild- und Wortbeiträgen entwickelt. Für viele Kulturinstitutionen wurde er dank seiner journalistisch flexiblen Form aufgenommen und weiterentwickelt. Der Podcast kann verschiedene Arten von Feature, Interview, Bericht u.a.m. erfahren und mit Videoaufnahmen und Illustrationen angereichert werden. Er kann auch vielfach in der Zeit gestaltet werden und ist leicht über Internet-Plattformen zu verbreiten. Die technischen Voraussetzungen zur Herstellung eines Podcasts sind leicht zu erlernen und mit einfacher und günstigen Freeware zu handhaben.

 

Das alles hat dazu geführt, dass im Kulturbereich sehr viele Podcasts produziert werden und einige von Ihnen auch den Weg zum DigAMus-Award 2021 (Kategorie 5) gefunden haben. Ein Überblick könnte dazu dienen, sich einen Eindruck von der Vielfalt des Mediums und seiner Reichweite zu machen. Es werden hier der Form halber allein jene Einreichungen besprochen, die für die Sparte „Podcast“ kandidiert haben, obwohl damit das Angebot von Museen und Kulturinstitutionen nicht erschöpft wird. Bewerber in anderen Kategorien des DigAMus-Awards 2021 haben ebenfalls Podcasts erstellt, jedoch nicht damit, sondern primär mit anderen Formaten am Wettbewerb teilgenommen. Trotzdem lohnt es sich auch über diese Zusammenfassung hinaus, die Beiträge auf der Seite des jungen Museums-Preises aufzurufen und jene hybriden Formate einzusehen, die im letzten Jahr erarbeitet wurden und in denen der Podcast eine zwar untergeordnete jedoch wichtige Rolle einnimmt.

 

Das Museum für Kommunikation in Nürnberg hat in diesem Jahr einen Podcast über das Volontariat im Museum eingereicht. Der Podcast „VoloMuPo“ ist „ein Podcast zum Informieren, Vernetzen und Austauschen von Volontär*innen, Interessierte u.a.“, der von der Museumsstiftung Post und Telekommunikation finanziert wurde. Die zehn Episoden sind über die Webseite des Museums, unter „Digitales Museum“ abrufbar. Sie bestehen in Diskussionen mit Gästen von Museen bundesweit und dauern jeweils über eine Stunde, wobei der Ablauf der Sitzungen auch schriftlich fixiert ist.

 

Das internetaffine Museum Burg Posterstein in Thüringen bewarb sich diesmal mit einem Geschichts-Podcast mit dem Titel „LeseZEIT“, eigentlich eine Reihe von Blog- und Podcast-Beiträgen mit kleineren Erzählungen aus der Geschichte des Hauses. Die bislang fünf Folgen sind diskret am Anfang und am Ende musikalisch untermalt und werden durch Bilder und Texte im Blog „Geschichte & Geschichten“ ergänzt. Der Zugang zu den kurzen, 15- bis 20-minütigen Podcast-Episoden ist leicht über die Blogseite des Museums unter dem Menüpunkt „LeseZEIT“ zu finden.

 

Eine andere Kulturinstitution mit Museumsformat aus Thürigen – die Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße in Erfurt (ehemalige Stasi-Untersuchungshaftanstalt) – reichte einen Podcast in sieben Folgen ein, der als „Funkturm der Freiheit“ gefeiert wurde. Der Podcast mit dem Titel „Horchpost DDR“ umfasst die Zeit des Umbruchs im Jahr 1989 (mit Vorboten in den 1980er Jahren), wobei in jeweils 15 Minuten verschiedene Zeitzeugen zu Wort kommen. Die Gedenkstätte mit ihrem digitalen Angebot kann über die Seite der Stiftung Ettersberg für europäische Diktaturforschung und Aufarbeitung der SED-Diktatur erreicht werden. Der Podcast ist über die Webseite der Gedenkstätte unter Menüpunkt „Extras“ und auf der Internetseite von Spotify abrufbar.

 

Das sehr heterogene Museum Reinheim in Hessen „… zu Gast in der Vergangenheit“ hat eine Podcastserie mit Themen aus der Geschichte des Ortes, Vorstellung von Mitarbeitern und Ausstellungsbegleitung vorgeschlagen. Die Reihe mit Beiträgen von rund 10 Minuten begann am diesjährigen Museumstag mit einem Podcast zu jüdischem Leben in Reinheim. Am 9. November 2021 greift das kleine Museum das Thema wieder auf und veranstaltet einen Rundgang auf den Spuren jüdischen Lebens in dem hessischen Ort. Die Podcasts sind auf der Seite des Museums in dem gleichnamigen Kapitel zu hören.

 

Der Podcast, den das Jüdische Museum in München zum DigAMus-Award 2021 eingereicht hat, ist ein Storytelling-Podcast in vier Episoden à 15 Minuten über den Forscher, Journalisten, Bibliothekaren und politischen Aktivisten Mordechai W. Bernstein. Mit einer ausgezeichneten Hörqualität wurde der Podcast als Begleitung der Ausstellung „‚Was gibt’s?‘ Im Labyrinth der Zeiten. Mit Mordechai W. Bernstein durch 1700 Jahre deutsch-jüdischer Geschichte“ gedacht. Der Podcast unter dem Titel „Die Reise“ ist in vier Teilen – „Eine Welt in Bewegung“, „Gehen oder bleiben?“, „Im Land der Täter“ und „Zurück in die Zukunft“ – unterteilt und auch von der Internetseite der Ausstellung (bis 13. Februar 2022) abrufbar.

 

Fortsetzung folgt.

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Aktuell: DigAMus-Award 2021 – digitale Angebote von Museen zwischen Natur und Kultur

Knapp zehn Tage ist es her, dass die Gewinner des diesjährigen DigAMus-Award bekannt gegeben wurden. Die zwei Jahre junge Auszeichnung ist für die digitalen Angebote von Museen im Internet wichtig und sie beherrscht mit ihrem Ablauf – Einreichung nach Kategorien, Einbeziehung des Publikums für einen gesonderten Preis, Auswahl der Short-List, Verleihung der Awards – einige Monate lang das Leben der (vorerst nur deutschsprachigen) Museen. Newsletter von Kulturagenturen, Wortmeldungen in den sozialen Medien, Blogbeiträge von Kunst- und Kulturakteuren begleiten konstant dieses Ereignis von seinen Anfängen (im Spätsommer) bis zum Höhepunkt und Ausklang (im Herbst). Das Echo des DigAMus-Award klingt auch danach nicht ab – obwohl es ein wenig abnimmt -, weil die digitalen Beiträge der Museen immer und von überall aus das ganze Jahr über auf der Seite des – im Bereich digitale Kulturvermittlung – jetzt schon rennomierten Preises einsehbar sind.

 

Der Preis wurde in fünf Kategorien – Apps & Games, Hybrides Angebot, Webseite oder Online-Ausstellung, Social-Media-Aktionen, Podcasts – verliehen, hinzu kamen noch drei Sonderpreise – Sonderpreis Kleines Budget, Sonderpreis Inklusion & Interaktion und Publikumspreis. Fast alle preisgekrönten Einreichungen thematisieren – im Gleichtakt mit der alles beherrschenden Debatte in Politik und Gesellschaft -, direkt oder indirekt Mensch und Natur in ihrer Vergänglichkeit und der damit zusammenhängenden Verwandlung. Dabei widmen sich manche Beiträge – wie die Social-Media-Aktion des Museums Burg Posterstein in Thüringen #Garteneinsichten oder die App des Neanderthal-Museums in Mettmann „Neanderthal: Memories“ – ganz dem Thema Leben in der Natur, während andere – wie das Neu-Ulmer „Edwin-Scharff-Museum“ mit der Ausstellung „Architektierisch“ und/oder das Staatliche Museum für Archäologie in Chemnitz (smac) mit dem inklusiven Angebot „Die Stadt. Zwischen Skyline und Latrine“ – das Zusammenwirken von Natur und Kultur in den Vordergrund stellen. Selbst der äthiopische Mantel, der von dem Museum Villa Freischütz in Meran in einem Podcast gewürdigt wurde, spricht durch Farbgebung und Dekor, implizit über die Natur entfernter Regionen und vergangener Zeiten. Sicher steht aber bei diesem Exponat – wie auch bei dem Beitrag des Züricher „Johann-Jacobs-Museums“, der in der Sparte Apps & Games ausgezeichnet wurde, „uiivit. Dinge von gestern. Heute verstehen.“ – das zweite aktuelle Thema der heutigen Kulturszene Europas, der Kolonialismus, im Vordergrund.

 

Wie eine Zusammenfassung dieser Mensch-Natur-Problematik wirkt bei dieser Auswahl die, in der dritten Kategorie mit Preis versehene Online-Ausstellung „Ich hasse die Natur“ der Klassik Stiftung Weimar. Als Ergänzung zu der gleichnamigen, analogen Ausstellung im Schiller-Museum gedacht, bleibt sie nun im digitalen Raum ein Echo des Jahresthemas 2021 „Neue Natur“, wobei der in Anlehnung an Thomas Bernhard entstandene Titel „‚Ich hasse die Natur!‘ Mensch – Natur – Zukunft“ die Ziele der Ausstellungsmacher*innen benennt. Keine Harmonie wird also vorgetäuscht, sondern ganz aktuell und provozierend der Tod in den Mittelpunkt gestellt. Es wird das Verhältnis zwischen Mensch und Natur als Kräftemessen in drei, mit Musik von Ekkehard Ehlers untermalten Kapiteln gezeigt.

 

Das erste Kapitel „Killing us softly (Weiterleben)“ zeigt die menschliche Vergänglichkeit anhand von Krankheit, Seuchen und Tod. Die Natur scheint mit ihrer Kraft über die Menschen zu bestimmen,  die ihr ein religös geprägtes Weltbild und den damit verbundenen Glauben von einem Leben nach dem Tod entgegenstellt. Totenmasken, realistische Krankheitsbilder und Requisiten des Alters beleben dabei visuell die schriftlichen Ausführungen. Im zweiten Kapitel „Destroy (Zerstörung)“ scheinen Natur und Kultur in einem zerstörerischen Kampf zu liegen, aus dem es kein Entkommen gibt. Bilder der Vergangenheit, aber auch Arbeiten moderner Kunst illustrieren einerseits die Zerstörung der Natur durch Menschen und, andererseits die Wiederkehr der Natur im ehemaligen, menschlichen Lebensraum. Ergreifend sind hierbei die Fotos Flo Döhmers über den Verfall und über das Vergessen von beispielsweise Prypjat (bei Tschernobyl), aber auch die Arbeit „Library“ der amerikanischen Künstlerin Lori Nix, in der Bäume und Bücher ad litteram gegenüber gestellt werden und eine nostalgische Einheit in einem vorgestellten, hybriden Raum der Zukunft bilden.

 

Im dritten Kapitel der digitalen Ausstellung „A Reflexion (Panta rhei)“ werden schließlich drei Modelle der Zukunft angerissen. Im einen Modell wird ein Fortleben des jetzigen Anthropozäns, des konfliktbeladenen Zusammenspiels von Mensch und Natur imaginiert. Ein nächstes postuliert ein Zeitalter – Dendrozän -, in dem der Mensch verschwindet und die Natur die Oberhand gewinnt. Das letzte Szenario gilt dem Novozän, in dem weder Mensch noch Natur sondern eine künstliche Intelligenz die Welt erobert und beherrscht. Besucher des virtuellen Raums können am Ende einem Podcast mit dem Titel „Back to the Future“ folgen, in dessen Verlauf zwei Medienwissenschaftler von der Universität Bonn – PD Dr. Christoph Ernst und Prof.Dr. Jens Schröter – auf einige Fragen des Publikums antworten, über die verschiedenen, hier aufgezählten Zukunftsszenarien sprechen und zu weiterführenden Diskussionen anregen.

 

 

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Der Leiermann – ein Kulturvermittlungsprojekt aus Österreich

In diesen Tagen kommt wohl kein*e Kunstliebhaber*in und kein*e Kunsthistoriker*in an dem Maler Johannes Vermeer (1632-1675) vorbei. Die Sensation um sein Bild des Liebesgottes mit Bogen, Pfeilen und zwei Masken in dem Bild des „Brieflesenden Mädchens am offenen Fenster“ (1657-1659) zieht weltweit das Publikum in ihren Bann. Von 2017 bis 2021 wurde das Bild im Bild in der Restaurierungswerkstatt für Gemälde der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden freigelegt und somit eine ungetrübte Betrachtung und umfassende Interpretation des Kunstwerks ermöglicht. Jetzt ist es in einer Ausstellung mit dem Titel „Johannes Vermeer. Vom Innehalten“ bis zum 02. Januar 2022 in Dresden zu besichtigen.

 

Sucht man das Internet nach Beiträgen zu Jan Vermeer ab, stellt man schnell fest, dass wenige Seiten, die sich der Vermittlung von Kunst verschrieben haben, ohne den holländischen Maler des Barock auskommen. Ob Internetseiten von Museen, von analogen Medien wie Funk und Fernsehen oder artsandculture.google.com – fast alle sind Einführungen in die Kunst Vermeers, die im diskursiven Verlauf naheliegende Schritte in Richtung Vermittlung komplexer Inhalte vornehmen. Wie bei keinem anderen Maler der Geschichte der Kunst scheinen die klaren Bilder fast unvermittelt zu den universellen Themen wie Raum und Zeit, Leben und Tod, Kunst und Wahrnehmung, Farbe und Licht und nicht zuletzt Liebe und Leid zu führen.

 

In diesen Tenor stimmt auch ein bebilderter Text ein, der in der Sparte „Bildende Kunst“ in dem Blog auf der Kunstvermittler-Seite aus Österreich – „Der Leiermann. Die ganze Welt der klassischen Kultur“ – veröffentlicht wurde. Der Beitrag wurde von Georg Rohde, einem der Autor*innen der Plattform, verfasst, der vermutlich nicht zufällig ein Detail aus dem Bild „Die Dienstmagd mit Milchkrug“ von Vermeer als Header wählte. Darin ist vor allem der milchige Lichteinfall auf dem Oberkörper der Frau und auf der dahinter stehenden weißen Wand zu sehen, so wie er im 17. Jahrhundert als der eines substantiellen Äthers verstanden und gesehen wurde.

 

Sicher wird in dem Beitrag vor allem das im Kunsthistorischen Museum in Wien aufbewahrte Bild Jan Vermeers „Das Atelier“/“Die Malkunst“ besprochen, doch darüber hinaus führt er in die Kunst des europäischen Barock ein und macht Lust auf mehr Konsum von Kunst und Kultur der klassischen Epochen. Diese Qualität ist für die ganze Internetseite „Der Leiermann“ bezeichnend: Ob der Verlag, die Kursplattform oder der Blog – alle greifen ineinander und spannen einen Bogen zwischen Vermittlung von Grundkenntnissen und Ausführung von Kenner-Wissen. Es bleibt dem/der Nutzer*in überlassen, den letzten Schritt der Kunst entgegen zu schreiten und sich – entweder in passiver Lektüre und Betrachtung oder in analoger und einfachen digitaler Interaktion – für den Genuss von literarischer, musikalischer oder bildender (und sogar kulinarischer) Kunst und Geschichte auf dieser Plattform zu entscheiden.

 

Es werden historische Geheimnisse gelüftet, Fenster und Türen zur Musik geöffnet, Brokatvorhänge vor Bildern verschoben, die Wiener Küche vorgestellt,  aber es wird niemals alles erzählt, nie alles erklärt, nirgendwo alles gezeigt, so dass die Neugierde von Besucher*innen dieses virtuellen Raums der klassischen Kultur eher angeregt als gestillt wird. Eine der spannendsten Rubriken ist jene der Stadtschreiber*innen, in der man als Leser*in zeitgenössischer Chronist*innen beiwohnt, die Alt und Neu in den Städten Europas erfahrbar machen.

 

In einer Zeit, in der an jeder Ecke (klimatische und andere) Katastrophen lauern, erfährt die Angst vor dem Ende und der Leere einen Zuwachs, der zugleich den Hunger nach Leben und nach Inhalten steigert. Man kann nicht immer überall sein, nicht alles erleben, nicht alles sehen, obwohl man es heutzutage vielleicht gerne täte. Eine solche Plattform wie „Der Leiermann“ bietet eine gute Gelegenheit dazu, mit dem Kern europäischer Kunst und Kultur in angenehmer Weise und von überall aus vertraut zu werden. Außerdem bringt sie vielseitige Autoren und heterogenes Internetpublikum in einem wirtschaftlichen Modell zusammen, der sich für beide Seiten zu lohnen scheint.

 

Für Kunsthistoriker*innen, die mitarbeiten wollen, geht es hier zur Anmeldung.

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Influencer*innen Trendsetter*in

Trendsetter*innen und Influencer*innen gelingt Kunstvermittlung digital

Sucht man heutzutage im Internet nach Maßstäben in beliebigen Bereichen des Alltags, findet man recht schnell die Begriffe „Influencer“ und „Trendsetter“. Während Trendsetter als jemand beschrieben wird, der „etwas Bestimmtes allgemein in Mode bringt“ beziehungsweise „einen Trend auslöst“, ist der Begriff „Influencer“ strenger an die Vermarktungsqualität gebunden. „Influencer“ werden – laut Wikipedia – „seit den 2000er Jahren Personen bezeichnet, die aufgrund ihrer starken Präsenz und ihres hohen Ansehens in sozialen Netzwerken als Träger für Werbung und Vermarktung in Frage kommen.“

Sieht man von dem Gewinn für die Wirtschaft (vorläufig) ab, sind Museen und Kulturinstitutionen auf dem besten Weg dahin, dank kunsthistorischer Influencer*innen zu Trendsetter der digitalen Welt zu werden. Sicher sind die Vorläufer dieser Eigenschaft in der analogen Welt zu finden. Durch ständige oder regelmäßige Ausstellungen gelingt es Museen – wie kaum anderer Institutionen – seit je her, Themen für kulturelle oder gesellschaftliche Diskussionen zu stellen und sogar langfristige Trends zu setzen und Wandlungsprozesse in Kunst, Kultur und Gesellschaft zu bewirken und/oder zu begleiten.

Hier ist Vieles zu nennen, doch nicht der richtige Ort für tiefere Analysen von Kunstepochen oder Entwicklungen einzelner Künstler. Es ist bekannt, dass die europäische Renaissance mit der Entdeckung und Begegnung der Künstler mit antiken Denkmäler einherging. Auch der Salon des Refusés 1863 in Paris ist ein bekanntes Ereignis der Kunstgeschichte. Schließlich jedoch nicht zuletzt sind die Aktionen von Künstlern der Dada-Bewegung tief in das Bewusstsein der europäischen Kunstwelt und zugleich der bürgerlichen Gesellschaft eingeschrieben.

Seien es nun die Bibliotheken des Mittelalters, die Kunstsammlungen italienischer Mäzene, die Kuriositätenkammern barocker Fürsten oder schlicht die Bildergalerien der Neuzeit, immer waren die Kunstwerke von Museen oder von ihren Vorläufern in der Lage, Betrachter zu beeinflußen, Wandlungsprozesse in Gang zu setzen und natürlich Trends zu bestimmen. In der digitalen Welt schienen die meisten Museen bislang, diese wichtige Rolle zu vernachlässigen oder in den Hintergrund zu drängen. Nur wenige wurden hierzulande – wie das Städel Museum in Frankfurt am Main – ihrer Berufung gerecht und gestalteten mit den Besuchern den digitalen Raum.

Nun scheint aber die Monacensia im Hildebrandhaus in München Bogenhausen diese Hürde so genommen zu haben, dass sie für weitere Kulturinstitutionen als Beispiel gelten kann. Mit einem kooperativen Forschungsprojekt zum Kulturerbe gelang es Anke Buettner (seit 2019 Leiterin des Hauses) Ende des vergangenen Jahres eine Kernaufgabe von Museen und Archive – zu erinnern – in den Mittelpunkt der Arbeit und der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit zu rücken. „Mit einem auf fünf Jahre angelegten kooperativen Forschungs- und Vermittlungsprojekt nimmt die Monacensia im Hildebrandhaus Lücken im literarischen Gedächtnis der Stadt in den Blick“, heißt es auf der Internetseite der Münchner Stadtbibliothek.

„Gleichzeitig erprobt sie neue Formen der Erinnerungskultur und der Kulturvermittlung“, steht es weiter im Text. Diesem Vorhaben wurde die Institution schon mit einem ungewöhnlichen Projektauftakt gerecht. Mit einer Blogparade „Frauen und Erinnerungskultur / #femaleheritage“, die am 11. November 2020 unter der Federführung von Dr. Tanja Praske startete, ging „ein Aufruf zur Vernetzung und zum Dialog über Texte und Lebensentwürfe von Frauen, über das Thema Gender und Parität im kulturellen Gedächtnis.“

Den Akteuren in Kunst- und Kulturbereich ist Tanja Praske wegen dem Blog „Kultur Museum Talk. Kunst, Kultur & Social Media“ und ihrer starken Präsenz in den sozialen Medien, in denen sie für die Sache der Kunst und Kultur plädiert, schon seit mehreren Jahren ein bekanntes Gesicht. Ihren Aufrufen zu Blog-Paraden sind seit 2013 von Jahr zu Jahr immer mehr Kultur-Bloggende gefolgt und haben ein breites Publikum im Netz erreicht. Es ist somit nicht verkehrt, sie als Influencerin zu bezeichnen, die ein ursprünglich zaghaftes und gebrechliches Kunstvermittlungskonzept über die sozialen Medien zum Erfolg für die Kunst- und Kulturdebatte im Land gebracht hat.

Im Falle des Aufrufs #femaleheritage der Monacensia sind in einer relativ kurzen Zeitspanne (vom 11. November bis 09. Dezember 2020) über 150 Blogbeiträge veröffentlicht worden, in denen an eine oder an mehreren Frauen vorwiegend aus der Geschichte der Kunst und Kultur erinnert wird, die eine wichtige, bisher totgeschwiegene Rolle gespielt haben. Doch, wie Anke Buettner unter #femaleheritage schreibt: „Es ist nicht die schiere Zahl der Beiträge zur Blogparade ‚Frauen und Erinnerungskultur‘, die uns so beeindruckt. Es ist der Fakt, dass uns ein partizipatives Projekt mit großteils unbekannten Menschen hautpsächlich im deutschsprachigen Raum gelungen ist.“

Hier geht es zur Blogparade #femaleheritage: https://blog.muenchner-stadtbibliothek.de/frauen-und-erinnerungskultur-blogparade-femaleheritage/

Hier geht es zum Blog und zum Social-Media-Profil von Dr. Tanja Praske: https://www.tanjapraske.de

Hier geht es zum Echo von Sabine Buchwald in der SZ vom 27. Januar 2021: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/monacensia-spuren-von-kuenstlerinnen-und-kaempferinnen-1.5187217