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Im Römischen Reich / unterwegs (Serie)

Wenn ich so zurückdenke, habe ich eigentlich – bis auf die fünf Jahre in München Anfang des neuen Jahrhunderts – die Grenzen des römischen Reichs nie verlassen. In der ehemaligen Provinz Dakien (von 106 n.Chr. bis 270er Jahre n.Chr.) geboren, war ich einige Jahre in der Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Köln, gegründet 50 n.Chr.) zu Hause. Danach habe ich zwei Jahre in Lugdunum (Lyon, gegründet 43 v.Chr.) gelebt und nach dem anschließenden und vorübergehenden Aufenthalt in München, zog ich nach Augusta Vindelicum (Augsburg, gegründet 15 v.Chr.). Hier wohne ich seit 2007.

In Bukarest gab es keine antiken Funde im Stadtbild, die an das alte Rom hätten erinnern können oder ich habe sie vergessen. Es gab einige Orte, an denen die römische Vergangenheit zelebriert wurde. Wie der Römische Platz im Zentrum der Stadt, an dem eine Kopie der Kapitolinischen Wölfin, ein Geschenk der Stadt Rom, aufgestellt war. Daran ging ich in meiner Schulzeit täglich vorbei. Als ich mich später für die Aufnahmeprüfung an der Akademie der Kunst in Bukarest im Fach Kunstgeschichte vorbereitete, lernte ich, die Wölfin sei Sinnbild der Stadt Rom, eine Arbeit etruskischer Meister aus dem 5. Jahrhundert v.Chr., die Kinder Romulus und Remus – in der späteren Renaissancezeit eingefügt. Heute wird die Bronzeskulptur ins Mittelalter, zwischen dem 9. und dem 13. Jahrhundert, datiert. Jahre später traf ich die Statue wieder in einer Variante in Stein am Römerbrunnen in Köln.

Als ich 1990 das erste Jahr Studium der Kunstgeschichte hinter mir hatte, ging es ins Praktikum nach Capidava (gegründet 1. Jhdt. n.Chr. als Wehranlage der Moesia inferior), einer antiken Ausgrabungsstätte an der Donau. Unter der Leitung unseres damaligen Professors für Archäologie, Radu Florescu (1931-2003), hoben wir „oben“ auf der einst abgebrannten römischen Burg neolithische Spuren aus. Oder wir arbeiteten schwer mit dem Spaten „unten“ im Hafen, der bis auf die Grundmauern ausgegraben werden musste. Nachmittags fügten wir Scherben von alten Töpferwaren zusammen und freuten uns über jeden Erfolg, wenn zwei oder drei Scherben zusammenpassten.

Von der Ausgrabungsstätte blickte man auf die Donau einerseits und andererseits auf eine Straße, die sich über die Hügel Richtung Horizont schlängelte. Selten fuhr ein Auto entlang und wir blickten so ins Nichts während vom Radio das damals neue oft ausgestrahlte Lied von Chris Rea (* 1951) „The Road to Hell“ (1989) hörten und das Refrain nachsummten. Hätte ich den Entschluss auszuwandern, nicht erfasst, so hätte ich mit Sicherheit noch viele Ferien meines Lebens in dem Ort verbracht, der mir in nur einem Sommer ans Herz gewachsen ist.

 

Ich beschränkte mich aber darauf, einige Keramikscherben und einige Steine als Erinnerung mitzunehmen. Diesen Brauch behielt ich längere Zeit und sammelte immer kleine Fundstücke von Reisen in den Mittelmeerländern. Die Teile sind inzwischen nicht mehr genau zuzuordnen. Ob aus der Dobrudscha, aus Griechenland, aus Italien oder aus Frankreich, die Souvernirs von ehemaligen Stätten römischer Zivilisation bilden heute einen kleinen Schatz an Memorabilia. Trotz fester Versprechen und eisernen Willens an diese Orte zurückzukehren, habe ich so gut wie nie zwei Mal den gleichen Strand am Mittelmeer betreten und die antiken Ruinenstädte auch nur ein Mal besucht. Getrieben von der Hast nach immer neuen Sehenswürdigkeiten im kulturreichen Europa vergaß ich beruflich dorthin zurückzukehren, wo einst alles begann, ans Mittelmeer. Es blieb bei den gelegentlichen Urlaubsreisen, bei Fotos und einigen Erinnerungsstücken.

Ein knappes Jahrzehnt später sitze ich tagsüber auf den breiten Stufen des römischen Theaters in Lyon und blicke bei klarem Wetter auf den Mont Blanc, der am Horizont erscheint. Wenige Touristen steigen auf und ab und probieren, ob man ganz oben in den Rängen das Flüstern auf der Bühne hört. Die Zeit war knapp, als ich Lyon wohnte. Ich habe leider an keinem der Schauspiele teilgenommen, die während der Sommerzeit entweder im Theater oder im angrenzenden Odeon aufgeführt wurden. Ich erinnere mich nur an Spaziergänge auf der Anhöhe der beiden Bühnen und an das Schauspiel des Himmels und des Lichts jedes Mal anders, als ich dort war.

Bei einer Aufführung war ich hingegen im antiken Theater vom benachbarten Vienne. Laut Wikipedia soll der Name der Stadt von einer „Via Gehenna“, einem „Weg zur Hölle“ kommen. An einem Sommerabend des Jahres 2001, während der alljährlich stattfindenden Jazzkonzerte dort, sah ich und hörte Paco de Lucia (1947-2014) Gitarre spielend. Das Publikum war begeistert und überhäufte ihn mit Applaus als von der Bühne die Klänge des bekannten „Friday Night in San Francisco“ aufstiegen. Das 1980 uraufgeführte und 1981 aufgenommene Stück spielten damals neben Paco de Lucia, Al Di Meola (* 1954) und John McLaughlin (* 1942).

In Vienne gibt es auch neben einem Tempel (1. Jhdt. v.Chr.) des Augustus (63 v.Chr. – 14 n.Chr.) und der Livia (58 v.Chr. – 29 n.Chr.) – auf der anderen Rhône-Seite – eine Siedlung namens Saint-Romain-en-Gal, wo 1967 ein ehemaliges römisches Villenviertel ausgegraben wurde. Seit Mitte der 1990er Jahren steht da ein Museum mit lichter Architektur, dessen kostbarste Ausstellungsstücke Fußbodenmosaike sind. Eines davon (Ende 3. Jhdt. n.Chr., 7 m x 5,20 m) wurde Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckt und stellt den mythischen König Thrakiens, Lykurg, dar, der den Mut hatte, sich Bacchus entgegenzustellen. Als ihm Rhea zur Strafe den Verstand nimmt, tötet Lykurg im Weinrausch seinen Sohn Dryas in der Annahme, er sei ein wuchernder Rebstock. Die Darstellung des thrakischen Königs inmitten des bedrohlich anmutenden Rankenwerks ist einmalig und suggeriert wie kein zweites den Rausch, in dem die blutige Tat vollbracht wurde. Apsisförmig endet das Mosaik im oberen Bereich mit Figuren des Bacchus, Pan und der Bacchanten, die Lykurg bedroht hatte.

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Arbeitsweg in Augsburg / unterwegs (Serie)

Jeden Morgen fahre ich mit der Straßenbahn Nr. 4 in die Arbeit. Ich wohne in Augsburg Oberhausen Nord und während der Fahrt vom Eschenhof zu der Wertachbrücke begleiten mich Gedanken zur Stadtgeschichte. Ich wähle mir mit dem Blick durch die breiten Fenster wechselnde Orte und Gebäude, die auf dem Weg liegen, und lasse Bruchstücke Augsburger (deutscher, bayerischer und europäischer) Geschichte vor dem inneren Auge passieren. Jedes Mal weckt das mein Bewusstsein in Europa zu leben und jeder Schritt auf dem Asphalt bestätigt mein Dasein.

Ich steige an einer Straßenbahnstation ein vor dem Eschenhof, eine 1928 vom Stadtbauamt (Architekt Otto Holzer) errichtete viergeschossige quadratische Wohnanlage. Gerade habe ich die Siedlung an der Schönbachstraße verlassen, deren süd-westlichen Wohneinheiten durch Torbögen miteinander verbunden sind. Zwei Rundplastiken stellen gegenüberstehende Löwen dar, die zwischen ihnen ein Schlild mit den Jahreszahlen 1929 und 1930 halten. Die Anlage hat ihre ursprüngliche Sachlichkeit erhalten, auch wenn in den 2000er Jahren Modernisierungen vorgenommen worden sind. Die Wohnblocks sind jetzt in Pastelltönen gefärbt, leichte Balkone sind den Seiten vorgelagert.

Anfang der 1930er Jahre wird der Eindruck viel strenger gewesen sein, ältere schwarzweiß Aufnahmen belegen die triste Umgebung. Die Wohnungsnot der damaligen Zeit war Ausgangspunkt der Baumaßnahmen und sicher war die streng geometrische Anlage der Augsburger Fuggerei – die Vorfahrin aller Sozialsiedlungen (zwischen 1516 und 1523 von Baumeister Thomas Krebs) –  Vorbild und Maßstab der späteren Ausführung am Eschenhof. Die benachbarte Schönbachsiedlung ist 1946 als Notsiedlung entstanden und war in ihrer Gestaltung bis ins Detail von den Amerikanern geregelt. „Die wenigsten wissen allerdings“, schreibt Chr.R. Kreikle in dem Band „Augsburg zu Fuß“ von 1993 (Hrsg.: W. Kucera und R. Forster), „dass sich auf einem großen Teil der heutigen Schönbachsiedlung in der Nazizeit ein Zwangsarbeiterlager befand.“ (S. 215). Hinter den Bögen von 1929/30 standen also einst Wohnbauten, denen 1942 ein Lager folgte, das 1946 erneut von Wohnungen abgelöst wurde, die in den 2000er Jahren modernisiert wurden. Hier zog ich 2007 ein, als mich ein Arbeitsauftrag und finanzielle Not von München nach Augsburg brachten.

 

 

An München denke ich am Morgen oft auch. Wenige Kilometer weiter nördlich von meinem jetzigen Wohnort liegt das Autobahnkreuz Augsburg West die schnellste Verbindung zur A 8 Richtung München. Jeden Tag ziehen Pendlerautos auf der Donauwörtherstraße an meiner Bahnhaltestelle vorbei, andere Reisende steigen mit mir in die 4er Straßenbahn ein und fahren bis zur Endstation Hauptbahnhof. Für manche geht es dann weiter mit der Regionalbahn nach München, den Weg legte ich kurz nach meinem Umzug auch für ein paar Jahre zurück. „Das beste an Augsburg ist der Zug nach München.“ Der Satz, der Bertold Brecht (1898-1956) zugeschrieben wird, ging mir damals durch den Kopf, als ich Land und Leute wenig kannte und es an Augsburg noch einiges zu entdecken gab.

Zwei Haltestellen weiter bin ich an der Station Bärenwirt, die an dem Stadtteil Bärenkeller grenzt. Hier denke ich oft an dichte Wälder voller Wildtieren, römischer Soldaten, germanischer Stämme und an ein Gasthaus „Zum Bären“, das vielleicht hier einmal stand, ein Stück weit vom Eingang in die Stadt an der Wertach. Aber nein, so war es nicht! Selbst wenn nicht weit entfernt von meinen Phantasien, so sprechen Lexika und Bücher zur Stadt Augsburg von einer anderen Realität. Eine Brauerei „Zum Goldenen Bären“ soll hier vor mehr als 600 Jahren von Mönchen betrieben worden sein. Das Stadtteil selber ist erst 1932 entstanden und nach 1933 planmässig und ideologisch geprägt bebaut worden. Ein Stück Geschichte des NS-Regimes also und dessen Siedlungspolitik, wie des öfteren in den Städten des Landes.

Doch wie nicht anders bei Augsburg, einer Gründung des Jahres 15 v.Chr. aus der Zeit des römischen Kaisers Augustus zu erwarten ist, waren die Römer doch hier, im südlichen Oberhausen. Der Fund eines Grabsteins unweit der Straßenbahnhaltestelle Bärenwirt belegt das. „Das römische Grabmal zählt zu den bedeutendsten Funden der Antike, die man in der Augsburger Gegend gemacht hat; es soll das schönste römische Grabmal nördlich der Alpen sein. Das Monument wurde 1709 in drei Metern Tiefe (…) gefunden; über 100 Jahre überließ man es an der Hauptstraße den Witterungseinflüssen, bis es – auf einigen Umwegen – (…) seinen jetzigen Standort im Römischen Museum fand (…).“ (Kreikle, Wo es zum Himmel stinkt. In: Kucera/Forster, Augsburg zu Fuß, 1993, S. 209)

Auf der anderen Seite der Verkehrsknotenpunktes und der Wertach erstrecken sich die M.A.N.-Werke mit ihrer langen wechselhaften Geschichte. Ich denke hier manchmal bei meiner täglichen Fahrt in die Arbeit an die Biographie über Rudolf Diesel (1858-1913), geschrieben 1937 und neu aufgelegt 1983 von seinem Sohn Eugen Diesel (1889-1970): „Diesel. Der Mensch, das Werk, das Schicksal“, die ich als erstes las, als ich nach Augsburg umzog. Ich war damals ergriffen von dem aufregenden Leben des Erfinders, von seiner Zusammenarbeit mit Heinrich von Buz (1833-1918), dem Direktor der Maschinenfabrik Augsburg, von seinem rätselhaften Tod 1913 am Ärmelkanal. Später besuchte ich das kleine M.A.N.-Museum unweit vom heutigen Gelände der Werke und blieb beeindruckt von den dort ausgestellten schönen alten Druckmaschinen und den ersten Diesel-Fahrzeugen. 

Meine Straßenbahn verlässt am Morgen recht schnell diese Orte und bringt mich zurück in die Gegenwart an die Wertachbrücke, wo ich umsteigen muss. Mein Blick bleibt kurz an der wehrhaften Mauer der evangelischen Kirche St. Johannes (errichtet 1930) haften, die nah an der Kreuzung liegt und ein architektonisches Ensemble mit der katholischen Kirche St. Josef (erbaut 1876-78) bildet. Es ist einer jener baulichen Zusammenschlüsse von evangelischen und katholischen Kirchen, die man in Augsburg, der Stadt des Religionsfriedens von 1555, auf Streifzügen mehrmals begegnet. Der Frieden des 16. Jahrhunderts zwischen Protestanten und Katholiken wird somit den Passanten wie in keiner anderen Stadt der Welt buchstäblich bei Schritt und Tritt in Erinnerinerung gebracht.

Ich bremse hier meine Gedanken, die mich über Kaiser Karl V. (1500-1558) an die Bildnisse seines Hofmalers Tizian (gest. 1576) in der Münchner Alten Pinakothek und im Museo del Prado in Madrid führen würden. Zu viele Bilder der großen europäischen Sammlungen, die im Gedächtnis nur auf einen Augenblick mangelnder Konzentration und darauf warten, meine Aufmerksamkeit zu erstürmen. Ich mache einen gedanklichen Rückzieher blende schnell Gent in Belgien, den Geburtsort des Kaisers, ein. Dort kann ich gedanklich lange in der Kathedrale St. Bavo (942 eingeweiht) vor dem Altar der Brüder Hubert (1370-1426) und Jan van Eyck (um 1390-1441) stehen bleiben und die Bilder, die ich ohne weiter zu denken nur bewundere, betrachten.

 

 

Inzwischen fährt mich eine Straßenbahn Nr. 2 über den Oberhauser Bahnhof mit seiner schlichten Architektur vom Beginn der 1930er Jahre, vorbei an das neu bebaute Areal der ehemaligen Reese-Kaserne, in der US-amerikanische Truppen in den Nachkriegsjahren bis 1993/94 stationiert wurden. Ein Stück deutsch-deutscher Geschichte, die hier geschrieben wurde, als im Zuge der Einheit die Alliierten das Land verließen und weite Teile der lokalen Wirtschaft dahinfegten. Ich fahre durch Kriegshaber, ein Stadtteil Augsburgs über dessen Bezeichnung die Fachleute streiten. Eine Theorie besagt, dass in der Römerzeit ein griechischer Söldner namens Avar („Krieche Avar“) hier in einer Schlacht gegen Kelten den Tod fand. Sprachwissenschaftler glauben, dass ein aus Rheinfranken eingewanderter Bauer namens „Chriech“ den Namen des Stadtteils gab. Schließlich besagt eine dritte Theorie, dass „Grieshaber“ den Boden hier bezeichnete (Sandboden, „Griesle“), auf dem nur Hafer (= haber) wuchs. (Vgl.: Kreikle, Stadtteil am Rand. In: Kucera/Forster, Augsburg zu Fuß, 1993, S. 200.)

Zwei Stationen bevor ich morgens am Universitätsklinikum / Bezirkskrankenhaus aussteige, passiert mein Weg eine alte Synagoge, die eng an der Straße gebaut wurde, nach 1945 in Vergessenheit geriet und 1985 „wiederentdeckt“ wurde. Sie blieb von den Zerstörungen der Nazis weitgehend verschont, hier gingen jüdische Gläubige zum Gebet nach der Zerstörung der Augsburger Synagoge 1938. Ich denke kurz an die schöne „byzantinische“ Kuppel der großen Synagoge in der Halderstraße in der Nähe des Augsburger Hauptbahnhofs, die heute auch ein Museum beherbergt. 1917 wurde sie im Jugendstil erbaut und „galt damals wie heute in Deutschland als einzigartig“. (Fischer R. unter Mitarbeit von Kaus K., Streifzug durch die Gründerzeit. In: Kucera/Forster, Augsburg zu Fuß, 1993, S. 90.)

Ich bin keine zwanzig Minuten eigentlich außerhalb der historischen Stadtmauern von Augsburg gefahren und habe an die Antike, die Nazi-Zeit, die Habsburger Monarchie, Amerika, Byzanz und vieles andere mehr denken müssen. Vieles verbindet sich mit der eigenen Biographie, manches bleibt immer noch verborgen. Jeder Weg durch den Alltag ist ein Weg durch Europa in seiner Geographie, Geschichte, Kunst, Kultur und Natur. Die letzten zehn Minuten zur Arbeitsstelle gehe ich zu Fuß durch eine künstlich angelegte Parkanlage auf der Rückseite des klobigen Gebäudes des Klinikums aus den 1970er Jahren. Nein, nein! Jetzt denke ich nicht an die historische Gartenarchitektur Englands und als Gegenpol an jene Frankreichs sondern gehe arbeiten! Nein! Jetzt bloß kein Versailles, kein Englischer Garten in München, kein Schleißheim, kein Nymphenburg….

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In Erwartung wichtiger Treffen im digitalen Raum, nicht verpassen (III.)

Nachdem die internationale Online-Konferenz des Wiener Belvederemuseums „Das Kunstmuseum im digitalen Zeitalter“ (vom 17. zum 21. Januar 2022) erfolgreich – siehe #belvederemuseum und #digitalmuseum – zu Ende gegangen ist, fiebert die Community der Kunsthistoriker*innen den nächsten virtuellen Ereignissen entgegen.  In Erwartung der angekündigten Keynotes auf der Internetseite des Museums für all jene, die das Treffen verpasst haben oder nachhören wollen, bereitet man sich auf Twitter schon auf die nächsten Hashtags – wie #AgileKultur,  #neueRelevanz, #museenderzukunft und #kupoge2022, außerdem auf die Veranstaltungen #dhd2022 und #arthistoCamp beziehungsweise #kht2022 im März 2022 vor.

 

Am Donnerstag, den 10. Februar 2022 von 16:00 h bis 18:00 h findet die digitale Release-Veranstaltung zum jüngst erschienen Sammelband „Die Museen der Zukunft. Trends und Herausforderungen eines innovationsorientierten Kulturmanagements“ statt. Zur Veranstaltung laden die Organisatoren – der Landesverband der Museen zu Berlin (@lmb_berlin), die Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. (@kupoge) und das Netzwerk „Agile Kultur“(@agilekultur) unter diesem Link ein, eine erste Rezension schrieb bereits am 5. Januar @kulturtussi in dem bekannten Blog ankevonheyl.de unter der Kategorie „Digitalisierung“. Ende Januar 2022 waren – wie hier von @Zukunftsmelder berichtet – bereits 400 Teilnehmer angemeldet, die das Treffen mit dem Herausgeber, Henning Mohr, den Autor*innen (darunter Patrick S. Föhl, Anna Greve, Daniel Neugebauer und Ivana Scharf) und dem Moderator @MZierold erwarten.

 

Keine fünf Tage später, am Valentinstag, Montag, den 14. Februar 2022, von 18:30 h bis 20:00 h, treffen die Autor*innen und Herausgeber*innen des ersten Bandes – „Agilität in der Kultur“ – der dreiteiligen Publikationsreihe – „Kultur in Bewegung. Agilität – Digitalität – Diversität“ – zu einer Diskussionsveranstaltung im Internet zusammen. Die Neuerscheinung der LWL-Kultur (Kulturnetz des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe) wurde zusammen mit der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. und dem Netzwerk Agile Kultur veröffentlicht, von der LWL-Kulturstiftung gefördert und kann kostenlos als PDF heruntergeladen werden. Neben dem Programm der relativ kurzen Release-Veranstaltung „Agile Kultur“ gibt es auch den Button zur Anmeldung hier.

 

Vom 7. zum 11. März 2022 findet unter der Überschrift „Kulturen des digitalen Gedächtnisses“ online die 8. Jahrestagung des Verbands „Digital Humanities im deutschsprachigen Raum“ statt, ausgerichtet von @unipotsdam und @fhpotsdam mit @dh_potsdam. Vor einem Jahr als Präsenzveranstaltung angekündigt, findet das Treffen pademiebedingt doch ausschließlich virtuell statt. Die Anmeldung zur @Dhd2022 kann hier vorgenommen werden, das Programm mit allen Workshops, Vorträgen, Panels und Posters befindet sich hier. Neben vielen Sitzungen zu digitalen Archiv- und Kunstsammlungen weise ich auf den Donnerstag, den 10. März, hin,  wenn der Vormittag unter anderem der digitalen Kunstgeschichte, speziell für die Vorstellung der und Diskussion zur Suchmaschine iART reserviert ist.

 

Der XXXVI. Kunsthistorikertag wurde auf Twitter von @wpippich recht verhalten angekündigt, doch darf der Sachverhalt nicht über die Reichweite der Veranstaltung hinwegtäuschen. Unter dem Titel „Form Fragen“ wird er zwischen dem 23. und dem 27. März mit wie üblich reichem Angebot analog in Stuttgart stattfinden. Der Arbeitskreis Digitale Kunstgeschichte (#DigitaleKunstgeschichte), der am 2. Februar 2022 sein 10jähriges Jubiläum feierte, organisiert am Dienstag, den 22. März 2022 von 10:00 h bis 16:00 h einen #arthistoCamp als virtuelle Vorkonferenz zur Tagung. Über den Ticketshop des #kht2022 kann man sich in Kürze dafür kostenlos anmelden. Das Treffen mit dem dazugehörigem Hashtag wurde Anfang Februar bei Twitter von Harald Klinke signalisiert.

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Aktuell: DigAMus-Award 2021 – digitale Angebote von Museen zwischen Natur und Kultur

Knapp zehn Tage ist es her, dass die Gewinner des diesjährigen DigAMus-Award bekannt gegeben wurden. Die zwei Jahre junge Auszeichnung ist für die digitalen Angebote von Museen im Internet wichtig und sie beherrscht mit ihrem Ablauf – Einreichung nach Kategorien, Einbeziehung des Publikums für einen gesonderten Preis, Auswahl der Short-List, Verleihung der Awards – einige Monate lang das Leben der (vorerst nur deutschsprachigen) Museen. Newsletter von Kulturagenturen, Wortmeldungen in den sozialen Medien, Blogbeiträge von Kunst- und Kulturakteuren begleiten konstant dieses Ereignis von seinen Anfängen (im Spätsommer) bis zum Höhepunkt und Ausklang (im Herbst). Das Echo des DigAMus-Award klingt auch danach nicht ab – obwohl es ein wenig abnimmt -, weil die digitalen Beiträge der Museen immer und von überall aus das ganze Jahr über auf der Seite des – im Bereich digitale Kulturvermittlung – jetzt schon rennomierten Preises einsehbar sind.

 

Der Preis wurde in fünf Kategorien – Apps & Games, Hybrides Angebot, Webseite oder Online-Ausstellung, Social-Media-Aktionen, Podcasts – verliehen, hinzu kamen noch drei Sonderpreise – Sonderpreis Kleines Budget, Sonderpreis Inklusion & Interaktion und Publikumspreis. Fast alle preisgekrönten Einreichungen thematisieren – im Gleichtakt mit der alles beherrschenden Debatte in Politik und Gesellschaft -, direkt oder indirekt Mensch und Natur in ihrer Vergänglichkeit und der damit zusammenhängenden Verwandlung. Dabei widmen sich manche Beiträge – wie die Social-Media-Aktion des Museums Burg Posterstein in Thüringen #Garteneinsichten oder die App des Neanderthal-Museums in Mettmann „Neanderthal: Memories“ – ganz dem Thema Leben in der Natur, während andere – wie das Neu-Ulmer „Edwin-Scharff-Museum“ mit der Ausstellung „Architektierisch“ und/oder das Staatliche Museum für Archäologie in Chemnitz (smac) mit dem inklusiven Angebot „Die Stadt. Zwischen Skyline und Latrine“ – das Zusammenwirken von Natur und Kultur in den Vordergrund stellen. Selbst der äthiopische Mantel, der von dem Museum Villa Freischütz in Meran in einem Podcast gewürdigt wurde, spricht durch Farbgebung und Dekor, implizit über die Natur entfernter Regionen und vergangener Zeiten. Sicher steht aber bei diesem Exponat – wie auch bei dem Beitrag des Züricher „Johann-Jacobs-Museums“, der in der Sparte Apps & Games ausgezeichnet wurde, „uiivit. Dinge von gestern. Heute verstehen.“ – das zweite aktuelle Thema der heutigen Kulturszene Europas, der Kolonialismus, im Vordergrund.

 

Wie eine Zusammenfassung dieser Mensch-Natur-Problematik wirkt bei dieser Auswahl die, in der dritten Kategorie mit Preis versehene Online-Ausstellung „Ich hasse die Natur“ der Klassik Stiftung Weimar. Als Ergänzung zu der gleichnamigen, analogen Ausstellung im Schiller-Museum gedacht, bleibt sie nun im digitalen Raum ein Echo des Jahresthemas 2021 „Neue Natur“, wobei der in Anlehnung an Thomas Bernhard entstandene Titel „‚Ich hasse die Natur!‘ Mensch – Natur – Zukunft“ die Ziele der Ausstellungsmacher*innen benennt. Keine Harmonie wird also vorgetäuscht, sondern ganz aktuell und provozierend der Tod in den Mittelpunkt gestellt. Es wird das Verhältnis zwischen Mensch und Natur als Kräftemessen in drei, mit Musik von Ekkehard Ehlers untermalten Kapiteln gezeigt.

 

Das erste Kapitel „Killing us softly (Weiterleben)“ zeigt die menschliche Vergänglichkeit anhand von Krankheit, Seuchen und Tod. Die Natur scheint mit ihrer Kraft über die Menschen zu bestimmen,  die ihr ein religös geprägtes Weltbild und den damit verbundenen Glauben von einem Leben nach dem Tod entgegenstellt. Totenmasken, realistische Krankheitsbilder und Requisiten des Alters beleben dabei visuell die schriftlichen Ausführungen. Im zweiten Kapitel „Destroy (Zerstörung)“ scheinen Natur und Kultur in einem zerstörerischen Kampf zu liegen, aus dem es kein Entkommen gibt. Bilder der Vergangenheit, aber auch Arbeiten moderner Kunst illustrieren einerseits die Zerstörung der Natur durch Menschen und, andererseits die Wiederkehr der Natur im ehemaligen, menschlichen Lebensraum. Ergreifend sind hierbei die Fotos Flo Döhmers über den Verfall und über das Vergessen von beispielsweise Prypjat (bei Tschernobyl), aber auch die Arbeit „Library“ der amerikanischen Künstlerin Lori Nix, in der Bäume und Bücher ad litteram gegenüber gestellt werden und eine nostalgische Einheit in einem vorgestellten, hybriden Raum der Zukunft bilden.

 

Im dritten Kapitel der digitalen Ausstellung „A Reflexion (Panta rhei)“ werden schließlich drei Modelle der Zukunft angerissen. Im einen Modell wird ein Fortleben des jetzigen Anthropozäns, des konfliktbeladenen Zusammenspiels von Mensch und Natur imaginiert. Ein nächstes postuliert ein Zeitalter – Dendrozän -, in dem der Mensch verschwindet und die Natur die Oberhand gewinnt. Das letzte Szenario gilt dem Novozän, in dem weder Mensch noch Natur sondern eine künstliche Intelligenz die Welt erobert und beherrscht. Besucher des virtuellen Raums können am Ende einem Podcast mit dem Titel „Back to the Future“ folgen, in dessen Verlauf zwei Medienwissenschaftler von der Universität Bonn – PD Dr. Christoph Ernst und Prof.Dr. Jens Schröter – auf einige Fragen des Publikums antworten, über die verschiedenen, hier aufgezählten Zukunftsszenarien sprechen und zu weiterführenden Diskussionen anregen.

 

 

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Das Piranesi-Prinzip: Eine zeitlose Ausstellung im Internet

Im Schatten der Corona-Pandemie fand vom 04. Oktober 2020 bis zum 07. Juli 2021 in der Berliner Kunstbibliothek eine Ausstellung zum 300. Geburtstag von Giovanni Battista Piranesi (1720-1778) statt, die gemeinsam von Studierenden, Kurator*innen und Forscher*innen der Kunstbibliothek und dem Institut für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt Universität zu Berlin konzipiert wurde und in Kurzfassung bei Google Arts & Culture auch nach dem Event besichtigt werden kann. Es ist an sich nichts Außergewöhnliches, zum runden Geburtstag eines berühmten Architekten, eine Ausstellung mit Exponaten aus dem Bestand einer Kunstsammlung auszurichten, doch griff die hier thematisierte Schau über dieses Vorhaben hinaus. Das liegt nicht allein an der komplexen Persönlichkeit Piranesis, der Archäologe, Künstler, Architekt, Sammler, Designer, Verleger und Autor in einem war, sondern vielmehr an dem Konzept der Ausstellung, die sich nicht zuletzt als Hommage an eine geschichtsträchtige Stadt wie die Stadt Rom präsentierte.

 

Das Piranesi-Prinzip besteht nicht allein in den mannigfaltigen Entwürfen von Architektur, die bei diesem italienischen Meister des späten Barock unterschiedliche Bereiche – wie Design (Kaminentwürfe), Theaterkulissen (Bühnenentwürfe und Gruselkabinette), Veduten (Denkmal- und Stadtansichten) und Urbanistik (Rekonstruktion von alten Stadtteilen) – abdeckt, sondern und vor allem in der Verwertung und in der Aufwertung von Althergebrachtem, von Ruinen, Fragmenten von Statuen, überwuchernder Natur, von Mauerresten bis hin zu verbrauchtem und vergilbtem Papier. Im Werk dieses Künstlers, der sich dem Verfall einer Stadt verschrieben hat, scheint der antike Ruhm Roms erstrecht aufzublühen und der unverwechselbare Charme der neuzeitlichen Metropole zu liegen. Die kraftvolle Zeichnung des Meisters ist nicht nur Ausdrucksmittel eigener Persönlichkeit, sondern auch der Schönheit einer Architektur, die in ihrer ständigen Verwandlung lebendig bleibt.

 

Betrachtet man die Rekonstruktion des Circus Maximus in Rom sieht die Architektur wie eine Traumkulisse aus, die wann immer auf- und abgebaut werden kann. In den Entwürfen ist dieser Aspekt der potentiellen Abänderung oder der Metamorphose von Architekturelementen noch deutlicher. Wiederholte, sich schlängelnde oder sich verlaufende Linien heben die Formen aus der zweidimensionalen Fläche des Papiers hervor und suggerieren zugleich einen möglichen, anderen Verlauf und somit nicht ausgeführte aber im Blick des Betrachters entstehende, potentiell neue Anordnungen. Der/Die damalige Besucher*in von Piranesis Werkstatt und Sammlung und der/die heutige Nutzer*in des digitalen Angebots kamen und kommen mit Sicherheit ohne technischen Hilfsmittel zur Interaktion mit den Bildern. Es gibt viel Raum, um die Kulissen nach eigenem Geschmack in der Vorstellung zu ergänzen, denn man wird von diesem Meister der optischen und geistigen Verführung an jedem Detail der Zeichnung abgeholt.

 

Eine auf jeden Fall zu empfehlende Ausstellung im Internet, bestimmt auch mit aufschlussreichem, anschließendem Besuch der Bestände der Kunstbibliothek in Berlin.

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Der Leiermann – ein Kulturvermittlungsprojekt aus Österreich

In diesen Tagen kommt wohl kein*e Kunstliebhaber*in und kein*e Kunsthistoriker*in an dem Maler Johannes Vermeer (1632-1675) vorbei. Die Sensation um sein Bild des Liebesgottes mit Bogen, Pfeilen und zwei Masken in dem Bild des „Brieflesenden Mädchens am offenen Fenster“ (1657-1659) zieht weltweit das Publikum in ihren Bann. Von 2017 bis 2021 wurde das Bild im Bild in der Restaurierungswerkstatt für Gemälde der Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden freigelegt und somit eine ungetrübte Betrachtung und umfassende Interpretation des Kunstwerks ermöglicht. Jetzt ist es in einer Ausstellung mit dem Titel „Johannes Vermeer. Vom Innehalten“ bis zum 02. Januar 2022 in Dresden zu besichtigen.

 

Sucht man das Internet nach Beiträgen zu Jan Vermeer ab, stellt man schnell fest, dass wenige Seiten, die sich der Vermittlung von Kunst verschrieben haben, ohne den holländischen Maler des Barock auskommen. Ob Internetseiten von Museen, von analogen Medien wie Funk und Fernsehen oder artsandculture.google.com – fast alle sind Einführungen in die Kunst Vermeers, die im diskursiven Verlauf naheliegende Schritte in Richtung Vermittlung komplexer Inhalte vornehmen. Wie bei keinem anderen Maler der Geschichte der Kunst scheinen die klaren Bilder fast unvermittelt zu den universellen Themen wie Raum und Zeit, Leben und Tod, Kunst und Wahrnehmung, Farbe und Licht und nicht zuletzt Liebe und Leid zu führen.

 

In diesen Tenor stimmt auch ein bebilderter Text ein, der in der Sparte „Bildende Kunst“ in dem Blog auf der Kunstvermittler-Seite aus Österreich – „Der Leiermann. Die ganze Welt der klassischen Kultur“ – veröffentlicht wurde. Der Beitrag wurde von Georg Rohde, einem der Autor*innen der Plattform, verfasst, der vermutlich nicht zufällig ein Detail aus dem Bild „Die Dienstmagd mit Milchkrug“ von Vermeer als Header wählte. Darin ist vor allem der milchige Lichteinfall auf dem Oberkörper der Frau und auf der dahinter stehenden weißen Wand zu sehen, so wie er im 17. Jahrhundert als der eines substantiellen Äthers verstanden und gesehen wurde.

 

Sicher wird in dem Beitrag vor allem das im Kunsthistorischen Museum in Wien aufbewahrte Bild Jan Vermeers „Das Atelier“/“Die Malkunst“ besprochen, doch darüber hinaus führt er in die Kunst des europäischen Barock ein und macht Lust auf mehr Konsum von Kunst und Kultur der klassischen Epochen. Diese Qualität ist für die ganze Internetseite „Der Leiermann“ bezeichnend: Ob der Verlag, die Kursplattform oder der Blog – alle greifen ineinander und spannen einen Bogen zwischen Vermittlung von Grundkenntnissen und Ausführung von Kenner-Wissen. Es bleibt dem/der Nutzer*in überlassen, den letzten Schritt der Kunst entgegen zu schreiten und sich – entweder in passiver Lektüre und Betrachtung oder in analoger und einfachen digitaler Interaktion – für den Genuss von literarischer, musikalischer oder bildender (und sogar kulinarischer) Kunst und Geschichte auf dieser Plattform zu entscheiden.

 

Es werden historische Geheimnisse gelüftet, Fenster und Türen zur Musik geöffnet, Brokatvorhänge vor Bildern verschoben, die Wiener Küche vorgestellt,  aber es wird niemals alles erzählt, nie alles erklärt, nirgendwo alles gezeigt, so dass die Neugierde von Besucher*innen dieses virtuellen Raums der klassischen Kultur eher angeregt als gestillt wird. Eine der spannendsten Rubriken ist jene der Stadtschreiber*innen, in der man als Leser*in zeitgenössischer Chronist*innen beiwohnt, die Alt und Neu in den Städten Europas erfahrbar machen.

 

In einer Zeit, in der an jeder Ecke (klimatische und andere) Katastrophen lauern, erfährt die Angst vor dem Ende und der Leere einen Zuwachs, der zugleich den Hunger nach Leben und nach Inhalten steigert. Man kann nicht immer überall sein, nicht alles erleben, nicht alles sehen, obwohl man es heutzutage vielleicht gerne täte. Eine solche Plattform wie „Der Leiermann“ bietet eine gute Gelegenheit dazu, mit dem Kern europäischer Kunst und Kultur in angenehmer Weise und von überall aus vertraut zu werden. Außerdem bringt sie vielseitige Autoren und heterogenes Internetpublikum in einem wirtschaftlichen Modell zusammen, der sich für beide Seiten zu lohnen scheint.

 

Für Kunsthistoriker*innen, die mitarbeiten wollen, geht es hier zur Anmeldung.

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Aktuell: Calaios.eu – Aus dem Pausanio Newsletter vom August 2021

<<Liebe Leserinnen und Leser

Wir haben gegründet und sind im Startup-Fieber. Bereits in wenigen Wochen wollen wir die Plattform Calaios launchen, damit Guides, Explainers und Educators mit Online-Führungen von spannenden Orten berichten und zugleich auch Geld verdienen können.

Aber nun von Anfang an. Mit der Corona-Pandemie waren in kurzer Zeit viele Kunstvermittler:innen und Städteguides ohne Arbeit. Kulturinstitutionen mussten schließen, Führungen und Workshops konnten vor Ort nicht mehr stattfinden. In Seminaren der Pausanio Akademie zu Cultural Entrepreneurship reifte eine Idee heran. In den letzten Monaten haben wir dann mit einem Gründerteam aus der Idee ein Geschäftsmodell entwickelt, das die Bedarfe von allen drei Partnern gleichermaßen bedienen soll.

Die Teilnehmer:innen wünschen inspirierende live Führungen und Berichte von Orten, zu denen sie nicht kommen können. Die Guides und Veranstalter wollen ihr Wissen und ihre Erlebnisse professionell vermitteln und damit Geld verdienen. Die Kosten für die Plattform müssen bezahlt und die Mitarbeiter:innen entlohnt werden.

Öffentliche Förderungen für Geschäftsmodelle in der Kultur ist kaum möglich, daher wollen wir das Projekt aus eigener Kraft zusammen mit den Partnern stemmen. Wir sind überzeugt, dass wir in der Kultur- und Kreativwirtschaft nachhaltig Geschäftsmodelle für Freiberufler:innen und Gedächtnisinstitutionen etablieren können.

Auf Calaios werden Online-Führungen, Vorträge & Workshops zu Kunst, Kultur, Natur und Wissenschaft angeboten. Sie sind die zentralen Quellen, aus denen wir die Ideen schöpfen, um den Wandel in die nächste Gesellschaft zu gestalten. Wir brauchen Zugänge zu diesen Themenfeldern und Menschen, die Freude und Expertise haben, komplexe Themen anschaulich zu vermitteln. Calaios versteht sich als ein Experimentierfeld für neue digitale Vermittlungsformate.

Die digitale Vermittlung bietet heute völlig neue Möglichkeiten. Die Aufnahmequalität von Ton und Film hat sich in den letzten Jahren rasant verbessert und professionelle Geräte sind erschwinglich geworden. Das Internet setzt sich weltweit durch und auch in Deutschland verbessern sich – langsam 🙂 – die Bandbreiten. Die Infrastruktur ist da und die digitale Kompetenz nimmt spätestens seit Corona in allen Bereichen zu. Die Möglichkeiten der digitalen Vermittlung sind noch nicht ausgeschöpft. Wir stehen gerade erst am Beginn.

Und was fehlt? Das zentrale Problem der meisten Gedächtnisinstitutionen und schon gar der vielen freiberuflichen Guides ist, dass ihnen die Reichweite fehlt. Das wollen wir nun ändern. Wir arbeiten zur Zeit mit einem Team von 14 Personen an der Plattform Calaios.eu, die im Oktober online gehen wird. Wir starten mit Veranstaltern aus Deutschland und werden ab Mitte 2022 ins europäische Ausland skalieren, um Calaios als zentrale Plattform für Online-Veranstaltungen in Europa zu etablieren.

Seit wenigen Tagen ist die Pre-Site von Calaios.eu online. Wir laden Veranstalter:innen und Guides ein, sich zu bewerben und ihre Ideen und Erfahrungen einzubringen. Interessierte Teilnehmer:innen, die sich für den Newsletter anmelden, werden rechtzeitig über die nächsten Schritte und die Veranstaltung zum Launch informiert. In den nächsten Wochen werden wir dann den Login freischalten, damit Veranstalter:innen und Guides auf Calaios ihre Veranstaltungen vollständig eintragen können.

Machen Sie also mit, ob als Teilnehmer:in, Veranstalter:in oder Guide. Erzählen Sie von Calaios.eu Ihren Freund:innen und Bekannten. Leiten Sie diesen Newsletter gerne weiter. So helfen Sie uns, die Idee von Online-Führungen zu etablieren, um „Menschen an Orte zu führen, zu denen sie nicht kommen können“.

Mit einem ersten Austausch beginnen wir bereits im Pausanio Plenum am Donnerstag, den 2. September 2021 von 13-14 Uhr. Hier wollen wir Erfahrungen über Online-Führungen austauschen und über Calaios berichten. Einfach vorbeikommen und dabei sein. Die Zugänge finden Sie beim Pausanio Plenum oder Sie kommen gleich auf das MiroBoard. Dort finden Sie ebenfalls den Zoom-Link und können bereits Namenskärtchen und Fragen notieren.

Ich bin gespannt, wohin uns Calaios führen wird, und freue mich über den Austausch>>
Holger Simon

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„Let’s Visit Museum Collections. What can we gather about the data?“

Am 10. Juni 2021 fand im Rahmen des Kulturdaten-Kolloquiums SoSe 2021 an der Universität Potsdam, Netzwerk Digitale Geisteswissenschaften, ein Workshop unter dem Titel „Let’s Visit Museum Collections. What can we gather about the data? Chapter 2“ statt. Die Sitzung wurde von Dr. Dennis Mischke, Research Coordinator Digital Humanities an der genannten Universität, moderiert. Das erste Kapitel der Veranstaltung gleicher Überschrift war bereits während der ersten Eventtage der #vDHd2021 – Experimente, am 25. März 2021, abgehalten worden. Wer die ersten Eventtage der #vDHd2021 vom letzten März verpasst hat, aber an diesem Workshop interessiert gewesen wäre, kann sich aus der in Englisch verfassten Ankündigung ein Bild machen.

Im Kern geht es darum, dass unzureichende Kulturdaten auf der Online-Plattform von Museen gelangen und mehr oder minder zufällig dominante Narrative generieren, die nicht selten aus einer anderen Zeit stammen. Im März wurden diese Bias ausführlich in Workshops dargestellt und mit den Teilnehmern besprochen. Referiert haben Rida Arif von Cultural Advocacy Lab, Andrea Scholz vom Etnologischen Museum Berlin, Thiago da Costa Oliveira vom Botanischen Garten und Botanischen Museum Berlin sowie Lukas Fuchsgruber und Meike Hopp von der Technischen Universität Berlin. Es wurden zur Diskussion gestellt Plattformen wie CyArk and Google Arts & Culture, die Seite vom Ethnologischen Museum  im Zusammenhang mit spezialisierten Datenbanken wie GBIF and JACQ, die digitale Sammlung der Staatlichen Museen zu Berlin ( SMB-Digital) sowie ausgewählte Internetseiten wie sammlung.pinakothek.de, sammlungonline.kunstmuseumbasel.ch, rijksmuseum.nl/en/rijksstudio oder britishmuseum.org.

Leider konnte ich die Ergebnisse des virtuellen März-Treffens im Internet nirgends finden, aber die o.g. Veranstaltung der Universität Potsdam war im Juni 2021 sehr aufschlussreich. Wenn für Kenner die – oftmals aus den vergangenen Jahrhunderten stammenden – und in letzter Zeit verstärkt online gestellten Karteikarten eines Museums lediglich zur groben Orientierung dienen, sind sie für Fachfremde, die nicht selektiv und korrektiv vorgehen, einzige und alleinige Informationsquelle zu einem Exponat. Es entstehen vielfach Missverständnisse über den Bestand eines Museums und über die vertretenen Werte einer Gesellschaft. Auf diese Dissonanzen machten sehr überzeugend die Panelistinnen Sara Akhlaq von der Fachhochschule Potsdam und Sarah Kreiseler von der Leuphana Universität Lüneburg aufmerksam.

Natürlich stellt sich die Frage, wie diese ziemlich weit verbreitete Schieflage schnell und mit Erfolg behoben werden kann, sprich: wie können Kulturdaten (auch Metadaten auf Museumsseiten) so kontextualisiert werden, dass sie für ein breites Publikum zeitgenössische Fragen beantworten und nicht von einer längst vergangenen und ziemlich verstaubten Welt erzählen? Es wäre vielleicht nicht verkehrt, bereits an dieser Stelle des Kultursektors zu investieren, bevor weitere und wohl umfangreichere Ausgaben anstehen, wenn diese unvollständigen Daten in die nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) einfließen werden. Eine Lösung für diesen speziellen Fall der Kontextualisierung von Museumsdaten wäre sicherlich die Anstellung von Fachpersonal oder zumindest der Rückgriff auf die Crowd mittels von Spielen wie ARTigo. Auf jeden Fall wird mit Blick auf die erwähnten Workshops auch für Außenstehende verständlich, wenn – wie Mitte Juni d.J. – auf Twitter von @ArchivesAreCool und von @_omwo unter #archivesproblems über die Digitalisierung von Archivmaterial ironisch getweetet wird.

Der Verband  Digital Humanities im deutschsprachigen Raum e.V. organisiert die 8. Jahrestagung der Digital Humanities im März 2022 (@dhd2022) in Potsdam unter dem Titel „Kulturen des digitalen Gedächtnisses“. Hier geht es zum Call for Papers mit Deadline 15. Juli 2021.

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Save the Date – 10.06. bis 11.06.2021 Workshop des AKDK im Rahmen der Zwischenevents der #vDHd2021 „Experimente“

Am 29. Januar 2021 traf sich der Arbeitskreis Digitale Kunstgeschichte (AKDK) zu einem Open Space im virtuellen Raum. Wie es in dem – im Februar 2021 veröffentlichten – Bericht heißt, besprachen die Teilnehmer unterschiedliche Aspekte der Arbeit mit digitalen Methoden in der Kunsthistoriographie. Neben dem Archivierungs-Projekt von Catrin Blanke „Vom Schuhkarton zur Datenbank“ wurde von Jacqeline Klusik-Eckert das Forschungs-Projekt Beyond Ontology – Zwischen Wissensrepräsentation und Interoperabilität vorgestellt. Diskutiert wurden außerdem im Rahmen des Themas semantische Daten und Linked Open Data Probleme der historischen Forschung mit bereits existierenden Taxonomien. Die gleiche Forschergruppe – Linda Freyberg, Sabine Günther, Thomas Hänsli, Florian Kräutli und Stephanie Santschi – rückte in den Mittelpunkt die Frage der Visualisierung von Daten in der digitalen Kunstgeschichte. „Visualisierungen können als Brücken zwischen Makro- und Mikroperspektiven dienen, bei der Überprüfung der eigenen Arbeit helfen, der Exploration eines bisher unbekannten Datensets dienen und zudem didaktisches Werkzeug sein“, so die Referenten. Eine Zeitschrift zur Rezension von Forschungssoftware und Datenservices wurde von Lisa Dieckmann, Maria Effinger und Anne Klammt initiiert und dokumentiert, während Peter Bell und Fabian Offert über das künstliche Sehen (Computer Vision) als Grundlage der Fortschreibung der kunsthistorischen Bildwissenschaft im Digitalen sprachen. In einer weiteren Arbeitsgruppe wies Jacqueline Klusik-Eckert auf Schwierigkeiten hin, die sich bei Förderungsanträgen für Projekte der digitalen Kunstgeschichte einstellen. Weiter beleuchtete Charlotte Oertel wichtige Fragen der Qualitätssicherung beim Umgang mit digitalen Daten und plädierte für eine kritische Herangehensweise. Großes Interesse herrschte bei der von Michael Müller und Georg Schelbert initiierten Diskussion über Wikidata, die zugleich als formlose Call for Participation fungierte. Über einen einen Slack-Channel namens Wikidata des Arbeitskreises Digitale Kunstgeschichte sollen potentiellen Autoren angesprochen und Beiträge gebündelt werden.

Ende März 2021 fand – wie hier angekündigt – eine Online-Konferenz statt, in der die (deutschsprachigen) Kunsthistoriker auf das Corona-Jahr 2020 in der digitalen Kunstgeschichte zurückblickten. Organisiert wurde die Konferenz vom Verband Deutscher Kunsthistoriker (VDK), von Ulmer Verein, Verband für Kunst und Kunstwissenschaften e.V. und vom Arbeitskreis Digitale Kunstgeschichte (AKDK) mit Unterstützung der digitalen Plattform arthistoricum.net, dem Fachinformationsdienst Kunst, Fotografie, Design. Einige der Akteur*innen vom Open Space im Januar 2021 und andere Mitglieder des AKDK traten bei dieser Konferenz zu digitalen Erfahrungen und Strategien in der Kunstgeschichte, bei der II. Etappe der Gespräche mit Berichten aus der Praxis am 27. März 2021  (erneut) mit interessanten Beiträgen in Erscheinung. Darunter Peter Bell und Fabian Offert, die zu dem bereits genannten Thema zu „Computer Vision“ referierten, Maria Effinger und Angela Dreßen mit Pitches zu „Open-Access-Publizieren in Zeiten der Pandemie“ beziehungsweise zu „Digital Literacy in der Kunstgeschichte“ und/oder Holger Simon mit einem Referat zu „Kollaboratives Arbeiten. Tools und Arbeitskultur in den Wissenschaften“. Andere Kunsthistoriker*innen des Arbeitskreises – wie Lisa Dieckmann, Stephan Hoppe, Dominic Olariu und Georg Schelbert – übernahmen die Moderation in einigen Räumen der virtuellen Konferenz: in Raum A (Audimax) mit den Gesprächen über das SPP „Das digitale Bild“; in Raum E (Edingburgh) für die Diskussion über digitale 3D-Rekonstruktion und Simulation historischer Zustände; in Raum F (Freetown) mit der Debatte über das Publizieren in OA und in Raum B (Brisbane) mit dem Referat von Harald Sack über „Data – Information – Knowledge Graph“.

Nach dem inhaltlich sehr reichen Auftakt dieses Jahres des – bereits 2012 um Prof.Dr. Hubertus Kohle (Digitale Kunstgeschichte an der LMU) in München gegründeten – Arbeitskreises darf man auf den bevorstehenden Workshop am 10. und 11. Juni „Experimente: Die Landschaften der Digitalen Kunstgeschichte kartieren“ im Rahmen der #vDHd2021 gespannt sein. Wie angekündigt wird bei dem zweitägigen Workshop an ein Thema des Open Space – Visualisierung – geknüpft und auf die Komplexität des inzwischen bis zu Unübersichtlichkeit herangewachsenen Fachs innerhalb der Digital Humanities eingegangen werden. „Aufbauend auf ersten Arbeitsschritten, Erkundungen der Landschaft und Modellierungen der Daten (Workshop-Tag 1) werden Visualisierungsstrategien und weitere Möglichkeiten zur Auswertung der Daten erprobt, im offenen Labor auch experimentelle Formen der Datennutzung getestet und gemeinsam diskutiert (Workshop-Tag 2).“ 

Zu den bereits genannten Wissenschaftlern sei unter den Organisator*innen schließlich jedoch nicht zuletzt die Kunsthistorikerin Waltraud von Pippich genannt, die bislang bei den genannten Veranstaltungen die Kommunikation hauptsächlich über Twitter übernommen hat.

 

Hier geht es zur Anmeldung zum Workshop des AKDK am 10.06. und 11.06.2021.

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Nicht verpassen (II.) #zukunftderkunstgeschichte

Letzten Montag begann mit rund 350 Teilnehmern online die Veranstaltungsreihe #zukunftderkunstgeschichte, des Instituts für Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, die bis zum 12. Juli 2021 jeden Montag um 19:00 Uhr stattfinden wird. Die ersten Beiträge lieferten bekannte Kunsthistoriker wie Prof. Dr. Burcu Dogramaci, Prof. Dr. Chiara Franceschini, Prof. Dr. Stephan Hoppe und Prof. Dr. Ulrich Pfisterer vom genannten Institut zum Thema „Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?“ Der erste der zwölf Abende war in Wort und Bild verhalten, was aber nicht über die Sprengkraft der geäußerten Überlegungen hinwegtäuschen konnte.

Wie so oft in der Geschichte der Kunst, vertrat jede*r der vier Wissenschaftler*innen eine eigene Position zwischen Tradition und Innovation, sprach andere potentielle Erneuerungen des Fachs an und stellte Fragen zu dem Bestand althergebrachter Methoden. Alle gingen von einem Beispiel aus der Kunstgeschichte aus und beleuchteten die neuen Aspekte in der Interpretation von Kunstwerken, ausgehend von der Öffnung zu aktuellen sozialen, politischen und kulturellen Themen. Diese Impulse, die außerhalb des Fachs angesiedelt sind, sollen in den nächsten elf Sitzungen mit Gästen von anderen Lehrinstitutionen besprochen werden, ohne daraus eine Verpflichtung zur Erneuerung der Kunstgeschichte in München abzuleiten.

Selbst ohne diesen Vorsatz wird sich aber in Zukunft die Kunstwissenschaft wohl kaum den Herausforderungen der Gegenwart entziehen können und in die eigene Materie neue Ansätze verschiedener – auch digitaler – Forschungsgegenstände aufnehmen müssen. Einer der vielleicht provokantesten Sätze des Abends kam von Prof. Pfisterer und betraf Paul Gauguins (1848-1903) Bild „Woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?“ (1897-1898, Öl auf Leinwand, 139,1 × 374,6 cm, Museum of Fine Arts, Boston) nach dem auch die Sitzung vom 19. April benannt wurde. Dieses Bild kann, so Prof. Pfisterer (Min. 41:27), geradezu „als Lehrbuchbeispiel westlich kolonialer und männlich heteronormativen Phantasmen“ dienen.

Dass ich nicht die einzige Person war, die über diese Perspektive auf das Bild stolperte, zeigte auch die anschließende Diskussion, in der es unter anderem (Claudia Eugster, ab 01:00:19) auch über die Sichtweise des*r Forschers*in auf seinen/ihren Gegenstand ging. Ob historisch gebunden oder in der Gegenwart verankert, von dem Mythos eine objektive Position einnehmen zu können, müsse man sich auf jeden Fall verabschieden, fügte Prof. Pfisterer hinzu. Nichtdestotrotz stellt sich die Frage, wie man in der Kunstvermittlung bei der Beschreibung und Interpretation von Kunstwerken zukünftig – anders als formativ – vorgehen will, wenn die eigene (althergebrachte) Perspektive auf das Bild so radikal erneuert wird, dass beide Ansichten (alte und neue) fremd werden?

Die Sitzungen der Veranstaltungsreihe #zukunftderkunstgeschichte werden aufgenommen und im Anschluss auf LMUcast zur Verfügung gestellt.