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„Let’s Visit Museum Collections. What can we gather about the data?“

Am 10. Juni 2021 fand im Rahmen des Kulturdaten-Kolloquiums SoSe 2021 an der Universität Potsdam, Netzwerk Digitale Geisteswissenschaften, ein Workshop unter dem Titel „Let’s Visit Museum Collections. What can we gather about the data? Chapter 2“ statt. Die Sitzung wurde von Dr. Dennis Mischke, Research Coordinator Digital Humanities an der genannten Universität, moderiert. Das erste Kapitel der Veranstaltung gleicher Überschrift war bereits während der ersten Eventtage der #vDHd2021 – Experimente, am 25. März 2021, abgehalten worden. Wer die ersten Eventtage der #vDHd2021 vom letzten März verpasst hat, aber an diesem Workshop interessiert gewesen wäre, kann sich aus der in Englisch verfassten Ankündigung ein Bild machen.

Im Kern geht es darum, dass unzureichende Kulturdaten auf der Online-Plattform von Museen gelangen und mehr oder minder zufällig dominante Narrative generieren, die nicht selten aus einer anderen Zeit stammen. Im März wurden diese Bias ausführlich in Workshops dargestellt und mit den Teilnehmern besprochen. Referiert haben Rida Arif von Cultural Advocacy Lab, Andrea Scholz vom Etnologischen Museum Berlin, Thiago da Costa Oliveira vom Botanischen Garten und Botanischen Museum Berlin sowie Lukas Fuchsgruber und Meike Hopp von der Technischen Universität Berlin. Es wurden zur Diskussion gestellt Plattformen wie CyArk and Google Arts & Culture, die Seite vom Ethnologischen Museum  im Zusammenhang mit spezialisierten Datenbanken wie GBIF and JACQ, die digitale Sammlung der Staatlichen Museen zu Berlin ( SMB-Digital) sowie ausgewählte Internetseiten wie sammlung.pinakothek.de, sammlungonline.kunstmuseumbasel.ch, rijksmuseum.nl/en/rijksstudio oder britishmuseum.org.

Leider konnte ich die Ergebnisse des virtuellen März-Treffens im Internet nirgends finden, aber die o.g. Veranstaltung der Universität Potsdam war im Juni 2021 sehr aufschlussreich. Wenn für Kenner die – oftmals aus den vergangenen Jahrhunderten stammenden – und in letzter Zeit verstärkt online gestellten Karteikarten eines Museums lediglich zur groben Orientierung dienen, sind sie für Fachfremde, die nicht selektiv und korrektiv vorgehen, einzige und alleinige Informationsquelle zu einem Exponat. Es entstehen vielfach Missverständnisse über den Bestand eines Museums und über die vertretenen Werte einer Gesellschaft. Auf diese Dissonanzen machten sehr überzeugend die Panelistinnen Sara Akhlaq von der Fachhochschule Potsdam und Sarah Kreiseler von der Leuphana Universität Lüneburg aufmerksam.

Natürlich stellt sich die Frage, wie diese ziemlich weit verbreitete Schieflage schnell und mit Erfolg behoben werden kann, sprich: wie können Kulturdaten (auch Metadaten auf Museumsseiten) so kontextualisiert werden, dass sie für ein breites Publikum zeitgenössische Fragen beantworten und nicht von einer längst vergangenen und ziemlich verstaubten Welt erzählen? Es wäre vielleicht nicht verkehrt, bereits an dieser Stelle des Kultursektors zu investieren, bevor weitere und wohl umfangreichere Ausgaben anstehen, wenn diese unvollständigen Daten in die nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) einfließen werden. Eine Lösung für diesen speziellen Fall der Kontextualisierung von Museumsdaten wäre sicherlich die Anstellung von Fachpersonal oder zumindest der Rückgriff auf die Crowd mittels von Spielen wie ARTigo. Auf jeden Fall wird mit Blick auf die erwähnten Workshops auch für Außenstehende verständlich, wenn – wie Mitte Juni d.J. – auf Twitter von @ArchivesAreCool und von @_omwo unter #archivesproblems über die Digitalisierung von Archivmaterial ironisch getweetet wird.

Der Verband  Digital Humanities im deutschsprachigen Raum e.V. organisiert die 8. Jahrestagung der Digital Humanities im März 2022 (@dhd2022) in Potsdam unter dem Titel „Kulturen des digitalen Gedächtnisses“. Hier geht es zum Call for Papers mit Deadline 15. Juli 2021.

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Das digitale Bild…

… ist der Titel eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Schwerpunktprogramms (SPP), das an den Universitäten in München und Marburg angesiedelt ist. Wer vor einer Woche an der Online-Konferenz der deutschen Kunsthistoriker #vKG2021 teilgenommen hat, konnte in der dicht mit wichtigen Themen besetzten Agenda unter anderem dem Vortrag der zwei Professoren Hubertus Kohle (LMU, München) und Hubert Locher (Philipps-Universität, Marburg) beiwohnen. Darin wurde über die kurze Geschichte, die Themen und die weite Aussicht des Unterfangens berichtet.

Kaum ein anderes Sujet ist in der Kunstgeschichte bedeutender als das Bild. Alles, was jemals in diesem Fach erforscht und erkundet, geschrieben und gelehrt, verfasst und verbreitet wurde, hängt unmittelbar mit der Beschaffenheit des Bildes (Original und Kopie) zusammen. Es ist also nicht verwunderlich, dass dieses Thema vor wenigen Jahren von zwei renommierten Kunsthistorikern im Bereich digitale Kunstgeschichte zum zentralen Forschungsvorhaben formuliert wurde.

Die substantielle Änderung von Kunstwerk und Abbildung (beide digital erfahrbar und erfassbar) stellt die Fachgemeinschaft vor entscheidenden Fragen, auf die im o.g. Programm mögliche Antworten gegeben werden. Die nicht (unmittelbar) von Menschenhand gemachten Bilder (Acheiropoieta) haben eine Macht, die weit über die Grenzen der Kunstgeschichte hinausreicht und sich der Kontrolle und Autorität der Kennerschaft entzieht. Wie Ikonen der Ostkirche erstreiten sich Abbilder eine neue alte Rolle und läuten verstärkt eine (stellenweise entgegengesetzte) Neuauflage des Byzance après Byzance ein.

Für die digitale Kunstvermittlung sind die Ergebnisse des SPP „Das digitale Bild“ auch von Bedeutung, weil es für die Arbeit mit Kunst und Publikum wichtig bleibt, was mit den Bildern passiert und wie sich ihre Rezeption verändert. Deshalb lohnt an dieser Stelle eine genauere Betrachtung der zwölf Projekte in der ersten Phase (München 2020-2023) des Programms, die den Bereichen „Digital Humanities“, „Social Media“, „Das digitale Bild in der Kunst/Architektur“ und „Digitale Bildkonstruktionen“ untergeordnet sind. Die zweite Phase (Marburg) des Programms wird mit neuer Ausschreibung für Forschungsprojekte bereits Ende 2021-Anfang 2022 eingeleitet werden.

Eine Doktorarbeit widmet sich japanischer Querrollen und untersucht u.a. die geänderte Wahrnehmung dieser Schrift- und Bildträger mit ihrer digitalen Repräsentation. Ein weiteres Projekt erforscht die Speicherung von Bildern in den sozialen Medien und ihre Verwertung in didaktischen Vorhaben. Eine Arbeit mit dem Titel „Bildförmige Bildkritik in Sozialen Medien“ widmet sich der Recherche von bildlichen Kommentaren in sozialen Foren und somit der Theoretisierung des Bildes im digitalen Raum.

Ein viertes Projekt des SPP behandelt die visuelle Repräsentation von Architektur, – die die Arbeit von Architekten seit Beginn Entwurfs und bis zum Abschluss des Baus begleitet – und ihren Einfluss auf Gestaltung und Funktionalität des Bauwerks. Unter der Überschrift „Jameson 2.0“ verbirgt sich eine Doktorarbeit, die sich anhand zeitgenössischer Kunst dem sogenannten „cognitive mapping“ (räumliche Repräsentation mentaler Zusammenhänge) widmet. Interessant ist auch die Arbeit „Browserkunst. Navigieren mit Stil“, die das Erscheinungsbild des Webs hinterfragt, analysiert und nach neuen Darstellungsmöglichkeiten sucht.

Über prozessierte Bilder schreibt ein weiterer Teilnehmer am SPP und verspricht wichtige Ergebnisse für dieses weitverbreitete Phänomen der Bildverarbeitung nach der Analyse der Software Adobe Photoshop. Ein achter Beitrag untersucht die Macht der digitalen Bilder bei der Vor- und Darstellung historischer Ereignisse und ein neunter geht mit „adaptiven Bildern“ ein Schritt weiter in der technischen und ästhetischen Analyse realer Bilder in sogenannten angereicherten Wirklichkeiten (Augumented Reality). Ein nächstes Projekt erarbeitet für rund 200 Terrakottafiguren mit digitalen Methoden ein Klassifikationssystem, wobei die generierte Mustererkennung jener geisteswissenschaftlichen Kategorie entgegengesetzt werden soll.

Die in dieser Aufreihung zwei letzten Projekte – „Bildsynthese als Methode des kunsthistorischen Erkenntnisgewinns“ und „Curating Digital Images“ – kommen der Arbeit von Kunsthistorikern am nächsten. Eine Methode, die bereits Aby Warburg (1866-1929) in seinem Bilderatlas „Mnemosyne“ praktizierte, – jene der Zusammenstellung visueller Motive in der Kunst -, wird an den Universitäten Heidelberg und Erlangen-Nürnberg mit Hilfe der neuen Technologie weitergeführt und auf ihren kunsthistorischen Erkenntnisgewinn hin untersucht. Schließlich ist für die Arbeit des heutigen Kunstvermittlers interessant, einen Blick auf die laizistische Konkurrenz zu werfen, einen Aspekt, den Wissenschaftler aus Berlin aufgreifen und im Kontext kultureller Einrichtungen untersuchen.

Nach diesem Einblick in die Arbeit der Forschergruppe kann man auf die, für den Zeitraum 28.-30. April 2021, angekündigte Tagung im Internet „Das digitale Bild – Die soziale Dimension, politische Perspektiven und ökonomische Zwänge“ nur gespannt sein. Die zweisprachig (Deutsch und Englisch) ausgerichtete Veranstaltung wird Überlegungen von Wissenschaftlern und Unternehmern zum digitalen Bild im Kontext systemrelevanter Lebensbereiche durchleuchten. Man darf, sowohl auf einen Beitrag wie „Online Video – Totality and Power“(Geert Lovink, Amsterdam und Adreas Treske, Ankara), als auch auf einen Vortrag wie „Das digitale Bild. Befreiung des Blicks oder Ende der Mimesis“ (Karen Joisten, Kaiserlautern) oder auf „Das digitale Bild im Markt. Reproduktion und Wertschöpfung“ (Tim Schätzke, Steinau an der Straße) neugierig bleiben.

 

Hier geht es zur Webseite und zum Blick auf die geplante Tagung „Das digitale Bild – Die soziale Dimension, politische Perspektiven und ökonomische Zwänge“  am 28.-30. April 2021. 

Siehe auch: Ausstellung „Aby Warburg – Bilderatlas Mnemosyne – Das Original“, Bundeskunsthalle Bonn, 10. März bis 25. Juni 2021.